Vorübergehend durften Verhandlungen auch online durchgeführt werden.

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Justizministerin Alma Zadić (Grüne) wollte aus der Not eine Tugend machen. Als mit Ausbruch der Pandemie vor zwei Jahren zahlreiche Zivilprozesse verschoben werden mussten, schuf das Ministerium vorübergehend die Möglichkeit, Verhandlungen auch online durchzuführen.

Aus dem Plan der Ministerin, die Online-Prozesse ins Dauerrecht zu überführen und damit auch künftig zu ermöglichen, dürfte aber vorerst nichts werden. Denn im aktuellen Regierungsentwurf, der am Dienstag im Justizausschuss des Nationalrats debattiert wurde, ist davon keine Rede mehr. Einzelne Beweisaufnahmen dürfen freilich – so wie auch bisher – per Video stattfinden.

Kritik von ganz oben

Im ursprünglichen Ministerialentwurf war vorgesehen, dass Richterinnen und Richter Zivilprozesse per Videochat durchführen können, wenn dies "tunlich" ist und die technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Digitale Verhandlungen wären zwar ohne das Einverständnis von Kläger und Beklagtem nicht möglich gewesen, dennoch dürfte der Vorschlag bei zahlreichen Juristinnen und Juristen auf wenig Gegenliebe gestoßen sein.

So appellierte etwa Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, dafür, dass digitale Prozesse die Ausnahme bleiben. Gerichtsverhandlungen seien schließlich "keine Online-Yogastunde". Lovrek sorgt sich vor allem um technische Probleme, die Verhandlungen erschweren könnten – vor allem dann, wenn an einem Verfahren viele Personen beteiligt sind. Die Beweiswürdigung sei online zudem um einiges schwieriger.

Ähnliche Kritik übte auch die Rechtsanwaltskammer. Laut der IT-Beauftragten Alma Steger soll man Möglichkeiten, Verfahren einfacher zu machen, grundsätzlich nutzen. Es brauche aber dringend ein Pilotprojekt. Andernfalls sei das Unterfangen "eine Operation am offenen Herzen". Auch die Ausnahmeregelung während Corona dürfte in der Praxis kaum eine Rolle gespielt haben, sagt Anwältin Katharina Kitzberger. "Es waren einfach zu viele Fragen offen."

Digitale Aktenführung

Ganz aufgeben will das Ministerium das Vorhaben aber noch nicht. Der Vorschlag werde nun "in einer eigenen Arbeitsgruppe behandelt, die bereits die Arbeit aufgenommen hat", heißt es auf Anfrage des STANDARD.

Was bleibt, ist, dass die Regierung mit der Reform die Initiative Justiz 3.0 weiterentwickelt, mit der das Ressort bereits seit Jahren an der Digitalisierung der Aktenführung arbeitet. Die Novelle schafft nun weitere Rahmenbedingungen für die Umstellung. So soll die Einbringung von physischen Akten minimiert werden, um eine möglichst vollständige digitale Aktenführung zu gewährleisten.

Außerdem dürften mit der Reform einige Leistungen des Gerichts billiger werden. Für bestimmte gerichtliche Vergleiche sollen künftig nur mehr halb so viele Kosten anfallen. Belohnt wird zudem, wer seine Klage bis zum Ende des ersten Prozesstermins zurückzieht. Auch hier soll nur noch die Hälfte der Gerichtsgebühr fällig werden.

Debatte bei Hauptversammlungen

Abgesehen von digitalen Zivilprozessen waren seit März 2020 auch Versammlungen von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern online möglich. Fast alle größeren Aktiengesellschaften haben davon Gebrauch gemacht.

Zumindest bis Mitte 2022 dürfen Versammlungen von Gesellschaftern weiter digital abgehalten werden. Ob die Regelung danach weiterbestehen soll, ist nach wie vor offen. In Deutschland hat sich die Regierung bereits darauf geeinigt. (Jakob Pflügl, 17.3.2022)