Wie so oft, gilt auch für den U-Ausschuss: Der Standort bestimmt den Standpunkt.

Illustration: Davor Markovic

Wenn zwei Juristen miteinander diskutieren, dann treffen zumindest drei verschiedene Meinungen aufeinander. So lautet jedenfalls ein altes Sprichwort in der Branche. Bei einem Fachgespräch zum Thema Persönlichkeitsrechte im U-Ausschuss, das Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) kürzlich im Parlament organisierte, konnte davon allerdings keine Rede sein. Denn die anwesenden Diskutantinnen und Diskutanten waren sich in ihrer Kritik größtenteils einig.

Das ganze Meinungsspektrum dürfte die Veranstaltung aber kaum abgebildet haben. Vertreterinnen und Vertreter der Opposition und der Grünen nahmen am Fachgespräch nämlich nicht teil – oder meldeten sich zumindest nicht zu Wort. Hört man sich unter Juristinnen und Juristen um, gehen die Meinungen zum Thema aber stark auseinander. Wie so oft, gilt auch für den U-Ausschuss: Der Standort bestimmt den Standpunkt.

Befragungen und Akten

Debattiert wurden im Dachfoyer der Hofburg vor allem zwei Kritikpunkte: das Problem, dass Auskunftspersonen befragt werden, gegen die gleichzeitig ein Strafverfahren läuft, und der Umstand, dass Akten, in die die Auskunftspersonen keine Einsicht haben, durch den Ausschuss an die Öffentlichkeit gelangen. Beides gefährde laufende Ermittlungen und könne Verfahren beeinflussen, so der Tenor.

Rechtsanwalt Georg Eisenberger, der im aktuellen ÖVP-U-Ausschuss mehrere Auskunftspersonen begleitet, kritisiert, dass die Gesprächskultur zusehends schlechter werde und sich "immer mehr in Richtung Inquisition" entwickle. Es herrsche ein Klima der "Vorverurteilung". Das größte Problem sei aber die "Jagd nach Falschaussagen".

Entschlagungsrecht

Anwalt Florian Horn, der in der Vergangenheit ebenfalls Auskunftspersonen begleitete, kann dieser Kritik dagegen wenig abgewinnen. Dass Personen, die gleichzeitig Beschuldigte in einem Strafverfahren sind, im U-Ausschuss aussagen müssen, sei unproblematisch. Stellen Abgeordnete Fragen zu strafrechtlichen Vorwürfen, dürfen sich Auskunftspersonen entschlagen.

Die Vorsitzführung des Ausschusses achte sehr darauf, dass diese Beschuldigtenrechte eingehalten werden. "Oft sogar überschießend", sagt Horn im Standard-Gespräch. Denn zum Teil werden die Befragungen zu stark eingeschränkt. Das schade der Aufklärung, außerdem werden die Befragungen durch ständige Geschäftsordnungsdebatten "für alle mühsam".

Dass Auskunftspersonen Angst haben, falsch auszusagen, liege "im Sinne des Gesetzgebers". Die Wahrheitspflicht im Ausschuss sei schließlich nur dann wirksam, wenn Konsequenzen drohen. Wer sich nicht im Detail erinnert, könne und müsse das natürlich sagen.

Auch die Kritik, dass Auskunftspersonen mitunter keine Einsicht in die Unterlagen haben, die dem U-Ausschuss vorgelegt werden, kann Horn nur zum Teil nachvollziehen. Der Verfassungsgerichtshof habe eben entschieden, dass die Ministerien nicht nur strafrechtlich relevante Daten übermitteln müssen, sondern alle. "Das ist auch naheliegend", sagt er. Denn der Ausschuss untersuche nun einmal nicht nur Vorgänge, die strafrechtlich relevant sind, sondern die gesamte staatliche Verwaltung.

Unlösbares Spannungsverhältnis

"U-Ausschüsse sind kein gerichtliches Verfahren, sondern klären politische Verantwortung", betonte auch Katharina Pabel, Professorin für Europarecht an der WU Wien, beim Fachgespräch. "Politische und rechtliche Verantwortung lassen sich aber nie klar trennen."

Die Verfahrensgesetze seien eine geeignete Grundlage dafür, Menschen, die gleichzeitig Beschuldigte sind, zu schützen. Das typische Spannungsverhältnis zwischen Regierung und Opposition im U-Ausschuss könne aber nie ganz aufgelöst werden. "Da helfen auch die besten Rahmenbedingungen nichts", sagt Pabel. Zumindest rechtlich sieht sie daher keinen Reformbedarf. Es sei vielmehr eine "Frage der politischen Kultur", im U-Ausschuss sowohl effektiv zu untersuchen als auch die Rechte der Betroffenen zu schützen. (Jakob Pflügl, 17.3.2022)