Kein Wirkstoff, aber große Wirkung? Wissenschaftliche Standards zur Erforschung der Homöopathie sind oft fragwürdig.

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Die Homöopathie ist einer der am heftigsten und emotionalsten diskutierten Bereiche im weiten Feld der Alternativmedizin. Die Fronten sind dabei recht klar definiert. Entweder man schwört darauf, frei nach dem Motto: Wer heilt, hat recht. Oder man hält es für kompletten Humbug und betont die Tatsache, dass die Verdünnung der Wirkstoffe so stark sei, dass tatsächlich kein Wirkstoff mehr in den Kügelchen enthalten ist. Und es gebe auch keinerlei wissenschaftlichen Nachweis einer Wirksamkeit.

Tatsächlich gibt es Forschungen und Studien im Bereich der Homöopathie, aber wissenschaftlich valide sind viele eher nicht. Eine Studie des wissenschaftlichen Netzwerks Cochrane Österreich ortet "erschreckend schlechte wissenschaftliche Standards in der Homöopathieforschung." Die wissenschaftliche Arbeit in diesem Bereich weise ein hohes Risiko für Verzerrungseffekte auf, und "die tatsächliche Wirkung von homöopathischen Mitteln könnte daher überschätzt sein", schreiben die Forschenden um Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems im Fachjournal "BMJ Evidence-Based Medicine".

Inkorrekte Studienumsetzung

Wird eine klinische Studie nach wissenschaftlichen Kriterien geplant, muss man diese vorab in speziellen Datenbanken anmelden und einen primären Endpunkt angeben – das ist ein vorab festgelegtes, erstrangiges Ziel einer klinischen Studie. Nach Abschluss müssen die Ergebnisse publiziert werden, egal ob dieser primäre Endpunkt erreicht wurde oder nicht. Zu dieser Vorgehensweise sind Wissenschafter seit dem Jahr 2008 durch eine Deklaration des Weltärztebundes zu ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen verpflichtet. Entsprechende öffentlich einsehbare Datenbanken gibt es in den USA, in der EU und von der Weltgesundheitsorganisation WHO. Allerdings sei der Anteil an Studien, deren Ergebnisse nicht veröffentlicht werden, noch immer hoch – und das nicht nur bei Untersuchungen, die die Homöopathie betreffen, heißt es in einer Aussendung der Donau-Uni.

Gerald Gartlehner vom Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation der Donau-Uni hat sich mit Kolleginnen und Kollegen der Karl-Landsteiner-Privatuniversität und der Medizinischen Universität Wien im Rahmen von Cochrane Österreich nun den Umgang von Homöopathiestudien mit dieser Registrierung angesehen. Sie zeigten, dass seit 2002 fast 38 Prozent der registrierten Homöopathiestudien unveröffentlicht geblieben sind. Umgekehrt wurden 53 Prozent der veröffentlichten randomisierten kontrollierten Studien nicht im Vorfeld registriert.

Weiters wurde bei 25 Prozent der registrierten Studien zur Homöopathie das Hauptziel in der späteren Veröffentlichung verändert oder angepasst. Darüber hinaus ergaben nicht registrierte Studien größere therapeutische Effekte als vorab registrierte Arbeiten.

Abhängig von den Ergebnissen

Für die Wissenschafterinnen und Wissenschafter weist der hohe Anteil an nicht oder erst im Nachhinein registrierten Homöopathiestudien darauf hin, dass deren Veröffentlichung tendenziell von den Ergebnissen abhängt – sie nennen solche verzerrenden Effekte auf die Studienlage "Reporting-Bias". Für Gartlehner zeigen diese Ergebnisse "erschreckend schlechte wissenschaftliche Standards in der Homöopathieforschung. Man kann davon ausgehen, dass viele Studien nicht publiziert wurden, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt hatten. Publizierte Homöopathiestudien berichten wahrscheinlich nur die attraktiven Ergebnisse und bieten daher ein verzerrtes Bild der Wirksamkeit von Homöopathie." Dadurch könnte der tatsächliche Behandlungseffekt der homöopathischen Mittel überschätzt werden, schreiben die Forschenden in ihrer Arbeit. (APA, kru, 16.3.2022)