In der Raffinerie Schwechat stellt man sich darauf ein, künftig weniger konventionellen Sprit zu erzeugen.

Die OMV ist dabei, ein anderes Unternehmen zu werden. Gleich bleiben soll lediglich die gute Ertragskraft. Damit will das Management sicherstellen, dass Investoren dem teilstaatlichen Konzern während des und auch nach dem vollzogenen Umbau gewogen bleiben. Das ist die Quintessenz der neuen Strategie, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Sie sieht eine schrittweise Abkehr von Öl und Gas bei gleichzeitiger Ausweitung des Kunststoffgeschäfts vor.

CEO Alfred Stern sprach vom "größten Umbau in der Geschichte der OMV". Geschuldet ist die anstehende Transformation in erster Linie der Erderhitzung – Folge von viel zu viel Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre. Mit jedem Liter Benzin, der verbrannt wird, und jedem Kubikmeter Gas werden mehr klimaschädliche Substanzen emittiert. Fonds und private Investoren schauen immer genauer auf die Umweltbilanz von Unternehmen, denen sie ihr Geld anvertrauen. Die OMV ist wie andere Mineralölkonzerne auch gezwungen, sich neu zu erfinden.

Wind und Solar für Eigenbedarf

Während Multis wie Shell oder BP als Antwort auf den Klimawandel stark in Offshore-Windparks und Freiflächen-Solaranlagen investieren, setzt OMV auf hochwertige Kunststoffe als Hauptgeldbringer in den kommenden Jahrzehnten. Darüber hinaus will man dort, wo man schon aktiv ist, in kleinerem Umfang und nur für den Eigenbedarf Windräder aufstellen und Solarpaneele montieren. Sie sollen in Summe zumindest eine Terawattstunde (TWh) Energie liefern, so der Plan. Zum Vergleich: 2020 wurden in ganz Österreich knapp 73 TWh Strom produziert.

Auch wenn die Öl- und Gasproduktion schrittweise zurückgefahren und 2050 gar nichts mehr davon verbrannt werden soll — Stichwort Klimaneutralität –, wird der Bereich Exploration und Produktion eine Zukunft, wenn auch eine abgewandelte haben. Zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen will die OMV bis 2030 rund fünf Milliarden Euro in die Entwicklung neuer Geschäftsfelder investieren, vor allem in Geothermie und in die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS, Carbon Capture and Storage). Weil Letzteres in Österreich verboten ist, will die OMV mit CO2 dort Geld verdienen, wo dies möglich ist: zum Beispiel in Norwegen, Rumänien und Südostasien.

Umgang mit Kohlenstoff

CO2 setzt sich aus einem Kohlenstoff- und zwei Sauerstoffatomen zusammen. Die Chemie, auch die von der OMV forcierte Petrochemie, braucht eigentlich nur den Kohlenstoff als Basis für die Weiterverarbeitung zu Plastik und anderen Chemieprodukten – Kohlenstoff, der seit Jahrzehnten aus Öl und Gas gewonnen wird, anderswo aber massenhaft vorhanden ist. Das will sich die OMV nun zunutze machen.

Ein weiteres Aufgabengebiet für die rund 530 Mitarbeiter in Gänserndorf (NÖ), wo OMV ein Innovations- und Technologiecenter betreibt, ist die Geothermie. Erdwärme gilt gerade in der Stadt als einer der Hoffnungsträger, um Gas in der Raumwärme abzulösen. Die OMV sieht sich mit ihrem Öl- und Gasbohr-Know-how geradezu prädestiniert, in Partnerschaft mit Energieunternehmen ein entsprechendes Geschäftsmodell zu entwickeln.

Außer in Wien, wo mit Wien Energie kürzlich ein Pilotprojekt gestartet wurde, will OMV auch an anderen Standorten in und außerhalb Europas das Geothermie-Potenzial heben.

Sechs Milliarden Gewinn angepeilt

Gut 400 Millionen Euro will man bis 2030 zudem in mehr als 2.000 E-Ladestationen an Tankstellen, Autobahnen und Transitstrecken in Zentral- und Osteuropa investieren – 17.000 Wallbox-Ladestationen für Firmenstandorte inklusive. Auch hierbei setzt man auf Partnerschaften mit Unternehmen, die ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen stellen können.

Wachstumstreiber soll der Bereich Chemie und Materialien sein. Er trug zuletzt etwa 30 Prozent zum operativen Gewinn der OMV bei, 2030 sollen es bei angestrebten gut 6,0 Milliarden Euro an bereinigtem operativem Gewinn schon 50 Prozent sein. Der operative Cashflow soll dann mindestens 7,0 Milliarden Euro ausmachen, nach 4,9 Milliarden Euro im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021. (Günther Strobl, 17.3.2022)