US-Notenbank-Chef Jerome Powell lässt jüngsten Andeutungen Taten folgen. Zwei Jahre nachdem die mächtigste Notenbank der Welt, die Federal Reserve, den Leitzins nach dem Corona-Schock im Frühjahr 2020 nahe an die Nulllinie gedrückt hat, wird der Preis des Geldes verteuert – wenn auch moderat.

Die Fed erhöhte den geldpolitischen Schlüsselsatz am Mittwoch um einen Viertelpunkt auf die neue Zielspanne von 0,25 bis 0,50 Prozent. Die Kehrtwende ist wohl der Auftakt für eine Serie von Anhebungen im laufenden Jahr. Die Währungshüter signalisierten in ihrem Zinsausblick, dass sie ein Niveau von 1,9 Prozent Ende 2022 für angemessen halten. Im November hatten sie lediglich ein Niveau von 0,9 Prozent veranschlagt. Sie reagieren damit auf die Teuerung.

Hohe Inflation

Es reicht der Blick auf die Zapfsäule: Der Benzinpreis steigt seit Monaten und ist seit dem Ukraine-Krieg förmlich explodiert. Gut vier Dollar je Gallone (entspricht 3,78 Litern) kostet das Normalbenzin inzwischen im US-Schnitt – fast 60 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Steigerung der Treibstoffpreise ist für die Bürger und Bürgerinnen der USA ein Ärgernis, für manche eine echte Bedrohung. Sie fahren immer noch gerne fette Spritschlucker, und mangels öffentlicher Verkehrsmittel sind Arbeitsplätze, Schulen oder Supermärkte oft nur mit dem Auto zu erreichen.

Für US-Präsident Joe Biden ist die Entwicklung hochbrisant. Keine acht Monate sind es noch bis zu den Kongresswahlen, für Biden und seine Partei wird die hohe US-Inflation zur Belastungsprobe. Die jüngsten amerikanischen Inflationskennzahlen liegen so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Knapp acht Prozent zeigt das Teuerungsbarometer im Februar an – ein Gutteil geht auf das Konto der Energiepreise.

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Die Wirtschaft nicht abwürgen und die Teuerung zügeln, die Entscheidung der Währungshüter war schwierig wie nie zuvor.
Foto: REUTERS/Joshua Roberts

Und viel deutet auf einen weiteren Anstieg hin. Energie war der wichtigste Preistreiber schon vor dem russischen Überfall. Der Krieg in der Ukraine droht die Kosten für Rohstoffe nun weiter nach oben zu treiben. Dabei sind die Rekordbenzinpreise auch in den USA inzwischen Thema Nummer eins.

Die Rechnung der Notenbank sieht wohl so aus: Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die US-Wirtschaft lassen nach, der Arbeitsmarkt brummt. Während der Pandemie haben hunderttausende Amerikaner dem Arbeitsmarkt den Rücken gekehrt. Das verschärft den Fachkräftemangel und führt zu einem kuriosen Überbietungswettbewerb der Unternehmen. Sie locken die begehrten Kräfte mit höheren Löhnen und Boni. Geben sie diese höheren Kosten an die Verbraucher weiter, dreht sich die Teuerungsspirale weiter.

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Die Inflation ist in der Bewertungsskala von Fed-Chef Jerome Powell deutlich nach oben gerückt.
Foto: Tom Williams/REUTERS

Die Inflation ist in der Bewertungsskala der Notenbanker aus gutem Grund deutlich nach oben gerückt. Die kurzfristigen Folgen des Krieges in Europa, der Sanktionen und anderer Unwägbarkeiten für die US-Wirtschaft sind eher ungewiss. Die Lage in der Ukraine könnte zudem die Inflation sogar noch weiter hochschrauben und damit die Wirtschaft bremsen.

Gegenwind für die Wirtschaft ist so oder so vorprogrammiert. Die Fed setzt wohl oder übel auf kleine Zinsschritte, um den mit billionenschweren Corona-Hilfspaketen befeuerten Konjunkturboom zu dämpfen. Die Kredite sollen teurer werden – und das im Idealfall allmählich. Zudem will die Fed dieses Jahr auf einem der "kommenden Treffen" beginnen, ihre in der Corona-Pandemie auf fast neun Billionen Dollar aufgeblähte Bilanz einzudampfen, womit den Märkten Liquidität entzogen würde.

Ein Schreckgespenst wäre eine Vollbremsung. Gehen die Währungshüter nicht mit Samthandschuhen vor, lösen sie womöglich eine Rezession aus. Denn noch sind die weltwirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs nicht vollumfänglich abzuschätzen.

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Die Treibstoffpreise treiben nicht nur Konsumenten und Politik in Europa um. Auch in den USA sind sie kräftig gestiegen.
Foto: Reuters/ANDREW KELLY

Dazu kommt, dass sich gar nicht alle Zutaten der hohen Inflation durch die Geldpolitik kontrollieren lassen. Dem Preisdruck, der immer noch auch auf die Unterbrechungen der globalen Lieferketten zurückzuführen ist, ist durch eine Anhebung der Leitzinsen nicht beizukommen. Das Umfeld, in dem die US-Notenbanken operieren, könnte schwieriger nicht sein. Eine "weiche Landung" einzuleiten wird nicht leicht.

US-Präsident Joe Biden kann nur hoffen, dass die Währungshüter an den richtigen Schrauben drehen. Die Entscheidung, die sie treffen, wird auch für sein weiteres Schicksal von Bedeutung sein.

Abweichende Erwartungen

Angesichts des schwierigen Umfelds zwischen Inflation und Krieg, in dem die US-Notenbank Fed die Zinsentscheidung zu fällen hatte, waren schon im Vorfeld die Erwartungen auseinandergegangen. Die meisten Finanzexperten, die sich im Vorfeld geäußert hatten, gingen von einem kleinen Zinsschritt um einen Viertelprozentpunkt aus. Frühere Spekulationen auf eine doppelt so große Erhöhung waren unmittelbar vor der Fed-Sitzung bereits rar geworden.

Auch darüber hinaus gingen die meisten Beobachter von einem straffen geldpolitischen Kurs aus. Wie stark, bleibt abzuwarten: Der sogenannte Dot Plot, der die durchschnittliche Zinsprognose der Fed zeigt, sieht in fast jeder Sitzung in diesem Jahr Erhöhungen vor, was den US-Leitzins an die Marke von zwei Prozent hieven würde. Es mehren sich aber die vorsichtigeren Stimmen: "Das aktuelle makroökonomische Umfeld ist schwierig, die Wachstumsprognosen werden gesenkt, und zum Teil wird in Analysen erstmals das Wort Rezession erwähnt", geben etwa die Experten vom Vermögensverwalter AXA Investment Managers zu bedenken. Angesichts der derzeit hohen Unsicherheiten meint die Fondsgesellschaft DWS: "Auf langweilige Zentralbanksitzungen werden Anleger vorerst wohl erst einmal vergeblich warten müssen, sie sollten sich besser auf Überraschungen gefasst machen." (Regina Bruckner, Alexander Hahn, 16.3.2022)