Derzeit werden Kinder und Jugendliche dreimal pro Woche in der Schule getestet.

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Bürgermeister Michael Ludwig steht an einem Pult und spricht via Livestream zu roten Funktionärinnen und Funktionären in Wien, da läutet sein Handy. Er schaut auf den Bildschirm, stockt. Es ist Dienstag, elf Uhr. Der Gesundheitsminister rufe ihn gerade an, sagt der Wiener Stadtchef plötzlich inmitten seiner SPÖ-internen Rede bei der Wiener Klubklausur. Eine kurze zynische Bemerkung kann er sich nicht verkneifen: "Der wird mich wohl rechtzeitig informieren wollen, was er in einer halben Stunde sowieso verkündet." So erzählen es jedenfalls Zuhörer. Abgehoben hat Ludwig nicht.

Zeitgleich sitzen die Büroleiterinnen und Büroleiter der Landeshauptleute mit Kabinettsmitarbeitern der Regierung in einer Besprechung zur Änderung der Teststrategie. Die Sitzung ist von 10.30 bis zwölf Uhr anberaumt. Um 11.30 Uhr tritt der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch vor die Medien und gibt die Neuerungen bereits bekannt: Gratistests werden ab April auf fünf PCR-Tests plus fünf Antigentests pro Monat und Person beschränkt. Außerdem müssen sich auch ungeimpfte Kontaktpersonen von Infizierten ab Montag nicht mehr absondern, sondern dürfen arbeiten und einkaufen gehen.

Änderungen bei Schultests

Offen ist weiterhin, wie es mit den Schul-Corona-Tests weitergehen soll. Zumindest offiziell. Denn in der Bund-Länder-Sitzung der Büroleiter am Dienstag wurde bereits ein recht detaillierter Fahrplan besprochen, wie DER STANDARD erfahren hat: Die Testungen in den Schulen sollen demnach schon bald zurückgefahren, aber nicht gänzlich abgeschafft werden. Nach den Osterferien dürften Schülerinnen und Schüler nur noch zweimal anstatt bisher dreimal die Woche getestet werden. Ab dem 25. April soll nach derzeitigem Plan auf einen PCR-Test pro Woche umgestellt werden. Antigentests sollen in Schulen dann gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Im zuständigen Bildungsministerium wird auf Nachfrage darauf verwiesen, dass man sich derzeit noch "in Abstimmung zur weiteren Teststrategie" befinde – einen finalen Plan gebe es noch nicht.

In Wien ist die Stimmung aber schon jetzt aufgeheizt. "Ich bin im Augenblick sprachlos und auch ein bisschen fassungslos, wie hier ein Experiment an über acht Millionen Österreichern durchgeführt wird", poltert Wiens roter Gesundheitsstadtrat Peter Hacker am Mittwoch. Auch einige Expertinnen und Experten kritisieren die kürzlich vorgenommenen Lockerungen und die Vorgehensweise der Regierung scharf. Man kann sagen: Österreich wird derzeit im Grunde durchseucht. Am Mittwoch wurden erstmals fast 60.000 Neuinfektionen gemeldet, bundesweite Corona-Maßnahmen gibt es kaum noch.

Wien berät am Donnerstag

Die Wiener Stadtregierung will am Donnerstag über die aktuelle Corona-Situation beraten – und gegebenenfalls neue Schlüsse daraus ziehen. Aus Regierungskreisen ist hingegen zu hören, dass derzeit "keine Verschärfungen im Raum" stünden. Schließlich seien gerade erst fast alle Maßnahmen aufgehoben worden, ein neuerlicher Richtungswechsel sei der Bevölkerung nicht zumutbar. Auch wenn selbst in den Regierungsbüros zugegeben wird: Die Lockerungen kamen wohl etwas zu früh. Aber die Prognosen seien zuletzt eben nicht sehr treffsicher gewesen. Verlautbart wurden die Öffnungsschritte bekanntlich bereits Mitte Februar, als ein Peak der Welle Anfang März erwartet wurde.

Am Mittwoch hat das Covid-Prognose-Konsortium nun eine neue Vorhersage veröffentlicht. Die Expertinnen und Experten gehen von weiter ansteigenden Infektionszahlen aus. Auch die Spitäler werden das zu spüren bekommen: Erstens wird in dem Gremium mit einer deutlichen Zunahme an Spitalspatientinnen und Spitalspatienten gerechnet. Außerdem sei davon auszugehen, dass es in den Krankenhäusern zunehmend zu "Personalausfällen aufgrund von Erkrankung und/oder Isolation" komme.

Quarantänefragen

Hinter den Kulissen wird in Regierung und Ländern derzeit auch heftig diskutiert, wie es mit den Quarantänebestimmungen weitergehen soll. Mehrere ÖVP-geführte Länder wollen Infizierte nicht mehr oder zumindest nicht mehr in dem gegenwärtigen Ausmaß absondern. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer hat sich bereits offen für eine Abschaffung sämtlicher Quarantäneregeln ausgesprochen.

Dahinter steckt im Grunde nicht weniger als die Frage, ob Corona weiterhin als Pandemie behandelt werden soll – oder bald doch wie viele andere Erkrankungen, bei denen keine Absonderung erfolgt. Denn derzeit ist Covid im Epidemiegesetz verankert – das müsste man ändern, wenn die Quarantäneregeln fallen sollten, wird im Gesundheitsministerium argumentiert. Und niemand wisse derzeit, was eine mögliche nächste Variante bringe. (Katharina Mittelstaedt, 16.3.2022)