Die Erschöpfung nach der Flucht: Im Aufnahmezentrum in der Engerthstraße sollen sich die Menschen aus der Ukraine auch ausruhen können.

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Unter den Vertriebenen sind besonders viele Kinder, die sich in der Notunterkunft beschäftigen.

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Wien – Experten rechnen damit, dass sich Österreich auf bis zu 200.000 Flüchtlinge aus der Ukraine einstellen muss, die zumindest eine Zeitlang im Land bleiben werden.

Aus der Ukraine Vertriebene erhalten derzeit temporären Schutz auf Basis einer EU-Richtlinie. Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper ist skeptisch, ob Österreich diesem Andrang gewachsen ist. Die Bundesregierung sei auf diesen Zustrom nicht vorbereitet, fürchtet Krisper. Andreas Achrainer, Geschäftsführer der Bundesbetreuungsagentur (BBU), ist zuversichtlich. Die BBU ist für die Quartiere zuständig und derzeit heftig am Organisieren. Achrainer sagt: "Schafft es ein reiches Land wie Österreich nicht, 200.000 Menschen zu versorgen, so würde mich das schwer ins Zweifeln bringen." Viele der Ankommenden seien gut qualifiziert und würden nach einer Starthilfe in Österreich Arbeit und Auskommen finden.

Im Innenministerium schätzt man, dass bisher 141.000 Menschen aus der Ukraine in Österreich eingereist sind, die meisten davon, etwa 80 Prozent, fahren aber entweder sofort oder nach einer oder zwei Übernachtungen in ein anderes Land weiter.

Per Flug aus Moldau nach Wien

Am Wochenende werden weitere 2.000 Personen erwartet – und zwar Ukraine-Flüchtlinge aus der Republik Moldau. Österreich nimmt sie aus dem bereits überlasteten Nachbarstaat der Ukraine, dem ärmsten Land in Europa, auf. Auch andere EU-Staaten, etwa Frankreich und Deutschland, haben sich zu solchen Übernahmen bereiterklärt.

Die 2.000 nach Österreich kommenden Menschen werden vom Uno-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR ausgewählt. Es handelt sich um besonders vulnerable Menschen: Hochaltrige, kinderreiche Familien, Kranke. Um ihnen den Transport zu erleichtern, plant die Austrian Airlines, einen Teil der Betroffenen mit dem Flugzeug nach Wien zu bringen. Das Innenministerium ist diesbezüglich am Organisieren.

Konkrete Zahlen gibt es bei den Registrierungen von Vertriebenen in Österreich, die dadurch Aufenthaltsrecht und Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Mit Stand Mittwochfrüh wurden bundesweit etwa 4.700 Registrierungen durchgeführt, die meisten in Wien und dem Burgenland.

Neues Notquartier

In Wien gibt man sich zuversichtlich, dem Andrang von Menschen aus der Ukraine gewachsen zu sein. Es gebe genügend Notquartiere, 2.500 sind es derzeit, die Kapazitäten würden laufend ausgebaut. In der Messe Wien soll demnächst ein weiteres großes Notquartier eingerichtet werden. Dort soll in Abstimmung mit der Landespolizeidirektion Wien neben dem Austria Center Vienna eine zweite Registrierungsstelle den Betrieb aufnehmen.

Das Innenministerium arbeitet mit Hochdruck daran, zusätzliche technische Geräte wie Fingerabdruckscanner und Passlesegeräte anzuschaffen, um die Registrierungen besser durchführen zu können. Geplant sind auch mobile Registrierungsstellen wie Busse, um an bestimmten Hotspots auch vor Ort arbeiten zu können.

Bei den längerfristigen Quartieren für Menschen, die in Wien bleiben werden, rechnet die Gemeinde damit, dass es genügend Angebote aus dem privaten Bereich geben wird, sagt Reinhard Krennhuber, Sprecher des zuständigen Stadtrats Peter Hacker (SPÖ). Die Hilfsbereitschaft sei jedenfalls sehr groß. Wie viele Quartiere nötig sein werden, traue man sich jetzt noch nicht abzuschätzen. Dass es letztendlich 200.000 Menschen sein werden, die in Österreich ankommen, sei eine realistische Einschätzung, ein erheblicher Teil von ihnen werde wohl in der Bundeshauptstadt bleiben. (Irene Brickner, Michael Völker, 16.3.2022)