Die ukrainische Samstagsschule in Wien (Bild) hat in den vergangenen Wochen regen Zulauf verzeichnet. Aber auch in öffentlichen Schulen starten immer mehr geflüchtete Kinder aus der Ukraine.

Foto: Ukrainische Samstagsschule

Als Diana* am Morgen des 26. Februar aufwachte, wusste sie noch nicht, dass sie am Abend nicht mehr in ihrem Haus in Uschgorod im Westen der Ukraine einschlafen wird. Die 15-Jährige wusste nicht, dass sie in zwei Stunden ihre Koffer packen, mit ihrer Oma und ihrem kleinen Bruder zur slowakischen Grenze und von dort aus weiter nach Wien fahren wird. Sie wusste nicht, dass ihre Eltern zurückbleiben würden.

"Meine Mama und mein Papa helfen jetzt Flüchtlingen aus Kiew und Charkiw, die über die Grenze fliehen", sagt Diana sichtlich stolz. Mehrmals täglich würden sie und ihre Familie mit ihren Eltern telefonieren. Sie selbst ist mit ihren Englischkenntnissen in Wien zum Sprachrohr der dreiköpfigen Familie geworden. Im Wiener Hernals kamen die drei zuerst bei Bekannten des Vaters unter. Dann half ihnen ein privater Vermieter mit einer Wohnung – so haben sie jetzt ihre eigenen vier Wände.

Erster Schultag in Österreich

Was mit ihren Mitschülerinnen aus Uschgorod ist, weiß Diana nicht. Mit einer Freundin sei sie im Kontakt, eine andere habe den Kontakt zu ihr abgebrochen. In ihrer Schule in Uschgorod war sie, bevor sie fliehen musste, in der fünften Klasse eines Gymnasiums und im Prüfungsstress in Fächern wie Mathematik. In Wien hat sich eine ukrainische Bekannte um einen Schulplatz an einem Gymnasium in Ottakring bemüht. "Dorthin brauche ich nur zehn Minuten zu Fuß", sagt Diana. Freudig, aber auch etwas nervös blickt sie daher am Dienstabend auf den kommenden Tag – ihren ersten Schultag in Österreich.

Wie bei Diana hat sich das Leben hunderttausender Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine seit der russischen Invasion schlagartig verändert: Bis Dienstag führte die Fluchtroute 129.000 Vertriebene, von denen laut Innenministerium 15 Prozent im Land bleiben, nach Österreich. Wie viele Kinder darunter sind, lässt sich momentan noch schwer eruieren. Jedenfalls sollten diese – oftmals kriegstraumatisierten Kinder und Jugendlichen – schnellstmöglich ein Stück Normalität zurückbekommen, lautete das deklarierte Ziel, das Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) vergangene Woche ausgab: "Sie sollen hier jetzt angstfrei in die Schule gehen können."

800 besuchen Unterricht in Wien

Allein in der Bundeshauptstadt besuchen mit Stand Mittwoch bereits 800 ukrainische Schülerinnen und Schüler den Unterricht: 500 von ihnen in Volks- und Mittelschulen, 300 in Bundesschulen. Die Zahl hat sich seit vergangenem Freitag fast verdoppelt. Es dürften allerdings weit mehr werden. Sind die Wiener Schulen – wo österreichweit die meisten Schülerinnnen und Schüler unterkommen – dafür gewappnet? Und wie will man den geflüchteten Kindern und Jugendlichen diese Normalität geben?

Vorweg: Bislang will man das nicht mit jenem Patentrezept schaffen, das Polaschek vorschwebte, nämlich separaten Deutschförderklassen. Bei ausreichender Schülerinnenzahl sollten demnach Extraklassen zum Deutschlernen eröffnet werden. Wo es zu wenige Kinder und Jugendliche gibt, solle es "angepasste Kurse" geben.

Angesichts der durch Corona verschärften Personalsituation wunderte sich Pflichtschullehrervertreter Thomas Krebs (FCG) auf Ö1 unlängst darüber, woher das Lehrerpersonal für diese Klassen kommen soll – gerade für die Deutschförderklassen fehlt dies ohnehin. Auf STANDARD-Nachfrage hieß es aus dem Bildungsministerium, dass "derzeit speziell in den Bundesländern das Ausfüllen allgemeiner Klassen und bestehender Deutschförderklassen forciert" werde. Eigene Förderklassen bestünden derzeit aber noch nicht.

Ringen um Personal

Auch um ukrainischsprachige Pädagoginnen und Pädagogen wird derzeit stark geworben: Bei 40 Personen werde in Wien gerade eine Anstellung durch die Bildungsdirektion geprüft. Diese Woche sollen schon die ersten Lehrerinnen und Lehrer angestellt werden, heißt es aus dem Büro der Bildungsdirektion Wien. Einen Hehl aus dem akuten Bedarf macht die Bildungsdirektion nicht. Im Gegenteil: An einzelnen Standorten werden Lehrkräfte "sehr dringend" benötigt, an anderen könne man sich noch mit Supplieren helfen. Die Stadt ruft daher auch pensionierte Lehrer zur Unterstützung auf. Offen bleibt aktuell noch, wie hoch der Bedarf an zusätzlichen Schulpsychologen werden könnte.

Diana hat am Mittwoch ihren ersten Schultag in Wien hinter sich gebracht. "Am Morgen haben mich gleich zwei Klassenkolleginnen in der Schule herumgeführt und mir alles gezeigt", erzählt sie – inklusive Corona-Tests. Sie habe sich gleich sehr willkommen gefühlt, auch weil viele Mitschülerinnen Interesse zeigten. "Sie wollten wissen, wie viele Sprachen ich spreche und ob ich ihnen ein paar Wörter auf Ukrainisch sagen kann", erzählt Diana. Auf Englisch habe alles super funktioniert, "im Biologieunterricht auf Deutsch hab ich aber kein Wort verstanden", lacht Diana. (Elisa Tomaselli, 17.3.2022)