Die Herausforderung, die mit den Vertriebenen aus der Ukraine auf Europa zukommen dürfte, ist riesig. Sollte es nicht zeitnah gelingen, die russische Invasion in der Ukraine zu stoppen – wofür es am Mittwoch zumindest Verhandlungsansätze zu geben schien –, so könnten laut Fachleuten wie dem Migrationsexperten Gerald Knaus bis zu zehn Millionen Vertriebene in die EU kommen. Von ihnen könnten bis zu 200.000 in Österreich bleiben.

Anlaufstelle nach der Ankunft der Vertriebenen aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof.
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Vor einer ähnlich großen flüchtlingspolitischen Herausforderung stand der Kontinent – und stand Österreich – bisher noch nie. Entsprechend dramatisch sind die Warnungen vor drohendem Chaos, vor heillos überlasteten direkten Nachbarstaaten der Ukraine und vor unversorgten Frauen mit Kindern auf den Straßen. Um derlei zu verhindern, brauche es große Würfe – etwa Luftbrücken von einem Land ins andere; Österreich etwa wird einen Teil der 2000 aus der Republik Moldau übernommenen Ukraineflüchtlinge per Flieger nach Wien bringen.

Diese Äußerungen sind als Weckruf ernst zu nehmen, als Aufforderung an alle Entscheidungsträger und Private, sich maximal vorzubereiten. Wozu sie nicht führen sollten, ist Defätismus angesichts einer Herausforderung, die übermächtig erscheint. Tatsächlich laufen etwa in Österreich bei den zuständigen Behörden derzeit logistische Vorbereitungen, die man sich während der Fluchtbewegung 2015/2016 nur gewünscht hätte. Auch der überwiegende Teil der Bevölkerung macht mit. Die Chance, dass das Land seine flüchtlingspolitischen Aufgaben diesmal stemmt, ist durchaus vorhanden. (Irene Brickner, 16.3.2022)