Die Medienförderstelle RTR könnte sich wieder mehr als Medienkompetenzzentrum positionieren, hieß es in einer Diskussion zur anstehenden Neubestellung der Geschäftsführung.

Foto: RTR

Wien – 56,5 Millionen Euro hat die gesuchte Person zu vergeben, 2022 sogar 90,5 Millionen: Die Medienförderstelle RTR braucht einen neuen Geschäftsführer oder eine neue Geschäftsführerin – sie oder er wird über die Vergabe der meisten österreichischen Medienförderungen entscheiden.

Mittwochabend luden der Verein zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien (VSUM) und der Presseclub Concordia zu einer Diskussion über die RTR und ihre – in den vergangenen Jahren vielleicht etwas in den Hintergrund getretenen – Möglichkeiten. Als Thinktank für die Medienpolitik und die Branche etwa. Im Saal waren der eine oder die andere, die sich auch für die Funktion des RTR-Geschäftsführers bewerben könnten.

"Datum"-Herausgeber Sebastian Loudon sieht die RTR als Kompetenzzentrum für Branche und Politik. Er hat sich 2017 um die Funktion des RTR-Geschäftsführers beworben, er kennt die RTR als einstiger Assistent des ersten und langjährigen RTR-Managers Alfred Grinschgl von innen. Loudon war erstgereiht im Dreiervorschlag einer beamteten Findungskommission; der damalige Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) entschied sich für Oliver Stribl, davor langjähriger Leiter des Presse- und Informationsdiensts der Stadt Wien.

"Attraktives Ziel für Interventionen"

Stribl wechselt nun in die Geschäftsführung der Wien Holding. Die RTR soll in den nächsten Monaten erstmals die Digitaltransfomationsförderung vergeben, im ersten Jahr sind 54 Millionen Euro Fördervolumen für klassische Medien vorgesehen, danach jährlich 20 Millionen.

Mit ihrem großen Fördervolumen ist die RTR "ein attraktives Ziel für Interventionen und Lobbyismusversuche", weiß Loudon. Er kann der Idee etwas abgewinnen, die Vergabe solcher Summen nicht einer einzigen Person zu überlassen.

Fachbeiräte sprechen bisher Förderempfehlungen aus, die nicht veröffentlicht werden und die den RTR-Geschäftsführer auch nicht binden. In der Diskussion am Mittwochabend thematisiert VSUM-Obmann und Moderator Golli Marboe etwa, ob RTR-Manager nicht begründen sollten, warum sie Empfehlungen der Beiräte nicht gefolgt sind – ebenso öffentlich wie die Empfehlungen der Beiräte.

Transparenz gefordert

Krisztina Rozgonyi, Kommunikationswissenschafterin an der Universität Wien und am Institute for Comparative Media and Communication Studies der Akademie der Wissenschaften und der Uni Klagenfurt, ist seit Herbst 2021 Mitglied im Fachbeirat der RTR für die Vergabe von kommerzieller und nicht kommerzieller Privatrundfunkförderung – jährlich 20 und drei Millionen Euro.

Sie empfiehlt der RTR die britische Medienbehörde Ofcom als Vorbild, vor allem in Sachen Transparenz, die Ofcom lege alle Prozesse und Entscheidungsgrundlagen offen, und sie evaluiere die Wirkung ihrer Tätigkeit. Und sie empfiehlt einen öffentlichen, möglichst transparenten Bewerbungsprozess.

"Wollen Politik und Medien einen Sparringspartner?"

Matthias Settele ist langjähriges Beiratsmitglied für den Fernsehfonds, der TV-Produktionen unterstützt. Der österreichische Medienmanager mit internationaler Konzernerfahrung etwa bei RTL Group und CME ist Generaldirektor des privaten slowakischen Marktführers TV Markiza, war 2021 als möglicher Kandidat für die ORF-Führung im Gespräch.

Vor allem Produzenten sollen Settele motivieren, sich um die RTR-Geschäftsführung zu bewerben – bisher wirken die Bemühungen, soweit absehbar, nicht sehr erfolgreich. Settele, bei der Debatte in der Concordia im Publikum, spricht von einem "sehr speziellen" Vergabeverfahren: Der Beirat bemüht sich um Empfehlungen im Sinne des Standorts, "aber der Geschäftsführer entscheidet".

Zur Neubesetzung stellt Settele die Frage: "Will die Politik die RTR als Sparringspartner, und wollen das die Stakeholder in der Branche?" Er empfiehlt: "Nur das Verteilen von Fördergeldern wird nicht reichen." Die Medienpolitik müsse "jemand Guten finden und sich selbst committen, die RTR als Medienkompetenzzentrum weiterzuentwickeln".

Die Privatradios wiederum könnten einer Besetzung wie Wolfgang Struber, langjähriger Geschäftsführer von Radio Arabella, einiges abgewinnen. Struber äußert sich auf Anfrage bisher nicht, ob er sich für den Job interessiert oder gar bewirbt.

Frauen vor

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) soll eine weibliche Besetzung in der Geschäftsführung favorisieren, es wäre die erste RTR-Chefin nach zwei Jahrzehnten männlicher Besetzung. Da kam etwa die ehemalige Geschäftsführerin der Österreich-Werbung, die langjährige ORF-Stiftungsrätin Petra Stolba, ins Gespräch. Stolba erklärt auf Anfrage, dass sie bei der Neubestellung des Publikums- und Stiftungsrats ihre Tätigkeit im ORF gerne fortsetzen würde, sie leitet zudem eine Donnerstag vom Stiftungsrat beschlossene Arbeitsgruppe für Diversity des obersten ORF-Gremiums. Sie zeigt sich überrascht, dass sie für den RTR-Job gehandelt werde.

Als Name für die RTR kursiert auch die Geschäftsführerin der Österreichischen Auflagenkontrolle, Alexandra Beier-Cizek. Sie war Donnerstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die Geschäftsführerin des Privatsenderverbands, Corinna Drumm, hat sich wie berichtet 2017 um die RTR-Führung beworben – diesmal soll sie schon abgewunken haben. In der Diskussion plädiert sie insbesondere für die Förderung von Medienvielfalt.

Noch ein Name kursiert in der Branche: Eva Weissenberger, die in der Wirtschaftskammer Österreich das Medien- und Datencenter leitet. Die Medienmanagerin und frühere Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung" in Kärnten und "News" freilich winkt ab.

Bisher hat das Kanzleramt die Funktion, soweit abzusehen, noch nicht ausgeschrieben. Die Führung nach dem Abgang von Oliver Stribl in die Geschäftsführung der gemeindeeigenen Wien-Holding wird vorerst intern nachbesetzt. (fid, 17.3.2022)