Der Würstlstand Bitzinger in der Wiener Innenstadt ist ein Fixpunkt bei der Kalorienversorgung von Nachtschwärmerinnen und -schwärmern. Am 6. November wurde er aber Schauplatz einer Amtshandlung, bei der eine Polizistin verletzt wurde.

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Wien – Wodka Red Bull ist zwar ein beliebtes Getränk, schränkt aber in höheren Dosen nicht nur bei privaten Gesprächen auf Urlaubsinseln die Urteilsfähigkeit merklich ein. Das musste am 6. November auch die 19 Jahre alte Angeklagte Sonja R. feststellen, die sich wegen zwei Faustschlägen gegen eine Polizistin in Zivil vor Richterin Alexandra Skrdla verantworten muss.

"Ja, das stimmt, was da passiert ist", bekennt sich die unbescholtene Angeklagte schuldig. Es sei damals gegen sechs Uhr Früh gewesen, als sie, ihre Tante und drei weitere Personen ein Lokal verließen. "Wir sind zum Würstelstand und wollten dann zum Taxi", erzählt die Angeklagte. "Plötzlich haben alle gestritten und geschrien", erinnert sie sich noch, dass ein Streit mit einer anderen Gruppe ausgebrochen war. Ihre Schwester habe ihr später erzählt, es sei um die Bitte, ein wenig leiser zu sein, gegangen.

1,3 Promille um sechs Uhr morgens

"Ich kann mich nur bruchteilhaft an den Vorfall erinnern, da ich alkoholisiert war", entschuldigt die Teenagerin sich. 1,3 Promille ergab später ein Alkomattest bei der Polizei. Sie habe jedenfalls gesehen, dass ihre Tante auf dem Boden gelegen sei und ein Mann auf ihr. Dann sei noch eine weitere Frau dazugekommen. "Ich wollte die beiden weghalten. Ich dachte, dass meine Tante von zwei fremden Leuten verprügelt wird", schildert R. ihre Motivlage. Der Schutzinstinkt war beachtlich: Sie verpasste der sicher zwanzig Zentimeter größeren Frau zwei Faustschläge ins Gesicht, ehe sie von hinten gepackt wurde.

Was sie nämlich nicht wusste: Ihr Opfer, das sich einen Einriss der Hornhaut und Prellungen zuzog, war eine Polizistin auf dem Weg in den Dienst, in den sie sich mit einem Kollegen stellte, als sie den Radau wahrnahm. "Ich habe erst als mir Handschellen angelegt wurden begriffen, dass es Polizisten sind", behauptet die Angeklagte. Die mehrmaligen "Polizei"-Rufe habe sie nicht gehört, beteuert sie. "Es war auch nicht sehr schön, als ich erfahren habe, dass die Dame nur helfen wollte", zeigt R. sich geknickt.

Polizist in Zivil zückte Dienstwaffe

Wie sich bei der Zeugenaussage der Polizistin herausstellt, hat die Angeklagte die Situation auch bei einem anderen wichtigen Detail falsch eingeschätzt. "Wir haben einen Streit beobachtet und eine Dame auf dem Boden liegen sehen. Ein Mann näherte sich, und wir dachten, dass es zu einer Körperverletzung kommen könnte", schildert die großgewachsene Beamtin. Sie und ihr Kollege seien daher aus dem Auto gestiegen und hätten mehrmals "Polizei, aufhören!" gerufen. Ihr Kollege, ebenfalls in Zivil, habe sogar seine Dienstwaffe gezückt. Einige Zeugen entfernten sich, die Polizistin eilte nach und hielt sie auf.

"Als ich dann zurückgekommen bin, lag ein Mann auf dem Boden, und die blonde Frau hat offensichtlich versucht, nach ihm zu treten. Dabei stolperte sie und fiel auf ihn", erzählt die Polizistin weiter. Sie ging hin, da sei auch schon die Angeklagte gekommen und habe ihr ohne Vorwarnung einen Faustschlag ins Gesicht verpasst. "Ich habe noch gesagt: 'Halt, Polizei!', dann habe ich den nächsten Schlag direkt auf das Auge bekommen", erinnert die Zeugin sich. Die Entschuldigung der betroffenen Angeklagten, die auch verspricht, 880 Euro Schmerzengeld in Raten zu zahlen, nimmt die Polizistin an.

Diversion statt Verurteilung

Richterin Skrdla glaubt der ohne Verteidigerin erschienenen Angeklagten ihre Reumütigkeit und sieht von einer Vorstrafe ab. Sie entscheidet sich für eine Diversion, also die vorläufige Einstellung des Verfahrens, im Gegenzug muss die junge Frau innerhalb eines halben Jahres 80 Stunden gemeinnützige Leistungen erbringen. R. nimmt das Angebot dankend an, auch die Staatsanwältin ist damit einverstanden. (Michael Möseneder, 20.3.2022)