Der europäische Marsrover Rosalind Franklin bleibt vorerst auf der Erde – wahrscheinlich bis mindestens 2026.
Illustration: Esa/ATG medialab

Die Europäische Weltraumorganisation (Esa) zieht wie erwartet Konsequenzen aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wie der Rat der Esa am Donnerstag nach einer zweitätigen Tagung in Paris festhielt, stehe die Organisation "voll und ganz hinter den Sanktionen, die ihre Mitgliedsstaaten gegen Russland verhängt haben". Eine der unmittelbaren Folgen ist der offizielle Stopp der Mission Exomars: Die Marsmission, an der seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten in Kooperation mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos gearbeitet wurde, wird nicht wie vorgesehen im Herbst 2022 starten. Der europäische Marsrover Rosalind Franklin bleibt noch länger auf irdischem Boden.

Angesichts des Ukraine-Kriegs sei eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen der Mission derzeit unmöglich. "Wir bedauern die menschlichen Opfer und die tragischen Folgen der Aggression gegen die Ukraine zutiefst", heißt es in einem Statement. Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher wurde damit beauftragt, Alternativen für die Durchführung des europäischen Prestigeprojekts auszuloten. "Eine Kooperation mit der Nasa wäre eine denkbare Option", sagte Aschbacher in einer Pressekonferenz. Die US-Weltraumbehörde habe große Bereitschaft gezeigt, die Esa zu unterstützen, nun sollen Studien beleuchten, wie es weitergehen könnte.

Marsflug vor 2026 unrealistisch

Exomars war als Gemeinschaftsprojekt mit Roskosmos angelegt, Russland hätte neben der Trägerrakete zur Beförderung ins All auch die Landeplattform für den Rover bereitstellen sollen. Der Rover, der zu Ehren der britischen Biochemikerin Rosalind Franklin benannt wurde, hätte ursprünglich schon 2018 losfliegen sollen. Nachdem der erste Teil der Mission im Oktober 2016 allerdings die Bruchlandung eines kleinen Roboters auf dem Mars mit sich brachte, wurde der Start auf 2020 verschoben. Dann machten wiederum Probleme mit dem Fallschirmsystem und mit der Elektronik des Landemoduls einen neuerlichen Aufschub nötig. Ein Lift-off 2022 ist nun ebenfalls endgültig vom Tisch.

Dass sich bis 2024, wo sich das nächste günstige Startfenster für einen Flug zum Mars öffnen wird, eine neue Lösung finden und umsetzen lässt, ist angesichts der neuen Lage unrealistisch. "Wenn wir nicht mit Russland fliegen, wäre 2026 der frühestmögliche Termin, aber auch das ist eine große Herausforderung." Er fühle mit allen Projektbeteiligten mit, die seit langem an der Ermöglichung dieser Mission arbeiten und verständlicherweise enttäuscht seien, sagte Aschbacher. Eine Fortsetzung sei derzeit aber praktisch und politisch nicht möglich. "Ich verstehe die Frustration, aber auch wenn wir später starten, wird es eine einzigartige Mission werden." Auf europäischer Seite wurde bisher mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt investiert, sagte der Esa-Generaldirektor.

Trennung im All

Die Marsmission ist nicht der einzige Kollateralschaden des russischen Angriffskriegs für die europäische Raumfahrt. Schon in einer ersten Reaktion auf die westlichen Sanktionen hat Russland die Arbeit auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana eingestellt. Seit 2011 waren von dort auch russische Trägerraketen mit Satelliten in den Erdorbit geflogen. Von dem Ende der Zusammenarbeit in Kourou sind derzeit fünf geplante Satellitenstarts des europäischen Weltraumprogramms betroffen, darunter zwei Galileo-Navigationssatelliten, die im April abheben sollten. Man arbeite intensiv an alternativen Lösungen, sagte Aschbacher.

Vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana fliegen keine russischen Raketen mehr. Im Bild ist der Start einer europäischen Ariane-5-Trägerrakete mit dem James-Webb-Weltraumteleskop im vergangenen Dezember zu sehen.
Foto: EPA/JM GUILLON/ESA

Auch andere Kooperationen und Abhängigkeiten von Russland im Weltraum würden derzeit überprüft, im April sollen bei einem Treffen mit den Esa-Mitgliedsstaaten weitere konkrete Entscheidungen getroffen werden. "Unsere bisherige Zusammenarbeit mit Russland ist das Ergebnis politischer Entscheidungen aus den 1990er-Jahren, als der Eiserne Vorhang gefallen ist und es eine Annäherung zwischen Russland und der westlichen Welt gab", sagte Aschbacher. "Heute sind wir in einer vollkommen anderen Situation, und wir müssen Entscheidungen wieder auflösen." Die Esa besitzt kein politisches Mandat – sie ist in ihren strategischen Entscheidungen an die Mitgliedsstaaten gebunden.

ISS-Betrieb soll weiterlaufen

Das Programm der Internationalen Raumstation (ISS) laufe indes weiter, die Situation sei stabil und sicher. Hier sei ein Ende der Kooperation nicht wünschenswert und auch nicht ohne große Probleme machbar, sagte Aschbacher. "Die ISS ist ein Projekt von Partnern, die aufeinander angewiesen sind." Auch die wissenschaftliche Arbeit werde derzeit fortgesetzt, auch der Flug der Esa-Astronautin Samantha Cristoforetti im April werde planmäßig stattfinden. Man sei in enger Abstimmung mit den Partnern, insbesondere der Nasa, und nehme den sicheren Betrieb der Station sehr ernst.

Gefragt nach Provokationen und Drohungen des Roskosmos-Chefs Dmitri Rogosin, der zuletzt von einem Absturz der ISS auf europäisches oder US-amerikanisches Territorium sprach, zeigte sich der Aschbacher unbeeindruckt: "Wir handeln nicht aufgrund von Provokationen, sondern auf Basis von betrieblichen Notwendigkeiten. Wir tun, was getan werden muss." (David Rennert, 17.3.2022)