Wolfgang Ambros sieht keine große Zukunft für die Menschheit. Mit Nostalgie kann er aber auch nichts anfangen.

Foto: Heribert Corn

Wolfgang Ambros, der am Samstag Geburtstag feiert, gibt gerade viele Interviews. Da kann man schon einmal auf einen Termin vergessen. "Jo eigentli hob i jetzt ka Zeit", sagt er, als wir den in Tirol Ansässigen telefonisch erreichen. Aber er nimmt sie sich dann doch und plaudert über eine Stunde lang mit dem STANDARD über Gott und die Welt – im wahrsten Sinne der großen Worte.

Draht sich die Menschheit ham? Wer ist schuld am Ungemach, mit dem Ambros – schwere Krankheiten, Entfremdung von seinen Zwillingen – in den letzten zehn Jahren kämpfte? Auch warum er keine neuen Songs veröffentlicht, obwohl einiges in der Schublade liegt, beantwortet der Austropop-Mitbegründer im Gespräch.

STANDARD: Gegen Ende Ihrer neuen Autobiografie geht es um ein anderes Ende: das der Menschheit.

Ambros: Die Welt wird in der Form nicht weiterbestehen. Die Bevölkerung vermehrt sich zu stark, es gibt zu viele kriegerische Auseinandersetzungen, wie man gerade sieht. Aber das wird nicht der letzte Krieg sein. Dazu steigt der Meeresspiegel, die Sahara dehnt sich aus, die Atmosphäre geht kaputt, wir werden keine Luft zum Atmen haben. Wann das sein wird, weiß ich nicht, aber unabsehbar ist es nicht.

STANDARD: Sind Sie froh, Ihre größten Erfolge gefeiert zu haben, als die Welt "noch in Ordnung war"?

Ambros: Jo, kloa. Die 80er-Jahre waren eine einzige Party. Aber schon der Waluliso hat in den 70ern das Ende der Welt prophezeit. Wir haben damals ja schon gewusst, dass es düster ausschaut.

STANDARD: Gemacht hat aber niemand etwas.

Ambros: Wenn man nichts anderes im Kopf hat als die nächste Wahl, wie soll da jemand eine Vision entwickeln und umsetzen?

STANDARD: Denken Sie viel an die guten alten Zeiten? Sind Sie ein sehr nostalgischer Mensch?

Ambros: Also bitte, glauben Sie das von mir? In der Biografie kommt das ja nur vor, weil einen der Verlag dazu zwingt, die alten G'schichtln aufzuwärmen. Natürlich erzählt man das dann irgendwie gern, ich bin auch nur ein alter Mann. Aber dass die Menschen rund um mich so nostalgisch sind, geht mir nur noch auf die Nerven. Wenn ich um elf Uhr in der Früh im Wirtshaus sitze, was ich meistens tue, und dort Gleichaltrige treffe, wird immer wieder von der Vergangenheit erzählt. Über die Gegenwart haben die nichts zu sagen. Dann müsste man ja eine Meinung formulieren, und das wollen sie nicht. Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich lebe im Hier und Jetzt.

STANDARD: Wenn Sie so interessiert an der Gegenwart sind, wieso machen Sie dann keine Songs darüber? Neue Songs.

Ambros: Wollen Sie das wirklich hören, was mir dazu einfallt? Nein! Während der ganzen Corona-Wahnsinns-Zeit, die für mich und mein Umfeld furchtbar war, weil du macht- und besinnungslos bist, habe ich schon ... na ja, also es gibt einiges, was in meinem Schreibtisch verschlossen liegt. Dann probier ich's wieder und denk mir: Nein, ich will eigentlich nichts mehr aufzeigen oder irgendwen aufrütteln. Wen interessiert’s, was ich mir denk? Des hob i nimma drauf. Mein G'schäft ist ja quasi tot, sowas wie ich macht ja keiner mehr.

Wolfgang Ambros hält seine zweite Biografie in Händen: "A Mensch möcht i bleib'n".
Foto: Lukas Beck

STANDARD: Wie nehmen Sie die jüngere Austropop-Generation wahr?

Ambros: Die 40- bis 50-Jährigen? Reden wir von Seiler und Speer und Wanda? Mit dem Seiler bin ich gut befreundet.

STANDARD: Also der Marco Wanda ist Mitte 30.

Ambros: Na jo, also geht er auch am 40er zu. Vieles, was diese Generation musikalisch macht, finde ich interessant. Aber Wanda? Was fang ich an mit "Bussi, Bussi, Bussi, Bussi, Baby"? Was soll das heißen?

STANDARD: Gratulieren Sie Ihrem Kollegen André Heller zum Geburtstag?

Ambros: Wonn hot er denn?

STANDARD: Nächste Woche wird er 75.

Ambros: Es ist sinnlos, der wird sein Telefon rund um seinen Geburtstag auch abgeschaltet haben wie ich, das hält man ja nicht aus: Anrufe, SMS, Whatsapps. Aber vielleicht rufe ich ihn dann ein paar Tage später an. Ich bin ja sehr interessiert an seinen botanischen Wunderdingen. Er hat sehr viel Schönes gemacht, auch wenn die Schallplatten da nicht unbedingt dazugehören. Auch er selbst ist eine Wunderfigur, die mich immer wieder fasziniert. Er macht was draus, er bereichert sich nicht nur selbst.

STANDARD: Sie gehen jetzt auf Tour, warum tun Sie sich das an?

Ambros: Ich tu mir nix an! Ich sitze – ja, mittlerweile sitze ich – nach wie vor gern auf einer Bühne, tausche mich mit einer größeren Anzahl von Menschen aus. Ich hab so viele Lieder. Ich finde dann immer irgendwas, was wir an dem Tag spielen können. Diese Songs sind für mein Publikum – oft viel jüngere Menschen – eh was ganz was Neues. Wenn Sie mich in Ihrem Artikel vorstellen, werden Sie schreiben: "Das ist der Wolfgang Ambros, der Schifoan und den Zentralfriedhof und Zwickt's mi gemacht hat." Darüber hinaus gibt es aber noch ungefähr 250 andere Sachen, die ich in ihrer Wirkmacht höher einschätze als die soeben genannten.

STANDARD: Die soeben genannten gehören zum österreichischen Kulturgut, genauso wie Sie selbst ...

Ambros: ... des wü i doch hoffn!

STANDARD: Aber hat Sie das nie gestört, dass Leute glauben, ein Anrecht auf ihren "Woiferl" zu haben?

Ambros: Es gab immer Menschen, die einen unglaublichen Hass auf mich gehabt haben. Und insofern war es mir schon eine lange Zeit ganz recht, für jene, die mir zugetan waren, der Woiferl zu sein. Irgendwann fragst du dich dann halt: "Bin ich das wirklich? Na, eigentlich ned." Aber mich darüber aufzuregen wäre mir nie eingefallen.

STANDARD: Und Vereinnahmungen durch politische Parteien?

Ambros: Irgendeine Nummer wurde mal von einer Partei, ich weiß nicht einmal welche, verwendet. Da hab ich mich sofort dagegen gewehrt, und es wurde dann auch eingestellt. Die Sozialisten haben es schon auch versucht nach dem Motto "Der Woiferl muss ja ein Roter sein". Aber ich habe in all den Jahren immer klargestellt, dass ich mich keiner Partei zugehörig fühle, weil Parteien an sich Konstrukte sind, die meinem Denken und Handeln zuwiderlaufen. Wie Politiker denken, ist mir fremd.

STANDARD: Sie reflektieren in Ihrem Buch, ob die ganzen Schicksalsschläge der letzten Jahre eine Strafe für eine Schuld sind, die Sie sich aufgeladen haben. Strafe von wem?

Ambros: Na des waß i natürlich ned. Aber wenn man so richtig in der Scheiße sitzt, fragt man sich schon: Wieso ich? Bei mir ging es immer in Extremen zu, was die glückhaften Momente und ihr Gegenteil betrifft. Meine Bedingung dafür, das Buch zu machen, war, dass es um die letzten zehn Jahre gehen muss – weil die habe ich nicht verstanden. Die Krankheit und die Sache mit meinen Kindern. Wieso? Es hat mich sehr beschäftigt, ob ich das verursacht habe oder ob es Schicksal ist, dass es so sein muss – von irgendjemandem oder irgendetwas gelenkt.

STANDARD: Und haben Sie eine Antwort gefunden?

Ambros: Nein. Aber hoffentlich kommt jetzt jemand auf mich zu und sagt: "Pass auf, Oida, du bist am Holzweg!" Na, des woa jetzt a Spaß. Es wird sicher passieren, dass sich jemand berufen fühlt, mich in der Hinsicht zu beraten. Mein bester Freund, der Joesi Prokopetz, sagt immer, dass die Beratungsresistenz eine meiner vordergründigsten Charaktereigenschaften ist. (Amira Ben Saoud, 18.3.2022)