Ich bin ein großer Freund des Därme-Essens. Wenn ich Darm auf einer Speisekarte sehe, dann kann ich meist nicht anders, als ihn zu bestellen, und wenn ich in einer mir bis dato unbekannten Weltgegend bin, ist es meine Mission, die lokale Darmspezialität zu probieren.

Darm verhält sich zu anderen Teilen des Tiers ähnlich wie vergorenes zu frischem Gemüse oder Käse zu Milch: Er schmeckt komplexer, fordernder, verdauter. Aromatisch kann er seine Herkunft und Aufgabe nie verleugnen. Wenn er gut geputzt ist, kippt das aber nie ins Unangenehme, im Gegenteil – genau das macht seinen Charme aus. Wie bei Sauerkraut und Kimchi (oder gutem Käse und gutem Wein) geht es um den köstlichen Grad zwischen Frische und Verfall. ("Une bonne andouillette a le goût de la merde, mais pas trop" ist ein französisches Feinschmeckersprichwort, informiert mich der frankophile Darmfreund Severin Corti.)

Am köstlichsten ist vielleicht – neben dem speziellen Biss – das Fett, das an ihm dranhängt und, wie Fett das eben tut, am meisten Geschmack transportiert. Wenn der Darm dann noch knusprig gegrillt wird, entsteht nicht nur, aber auch wegen des Fetts eine besonders reizvolle Mischung aus Konsistenzen.

Bei ganz jungen Tieren, etwa Milchlämmern und -kälbern, ist sein Aroma sehr zart und mild, mitunter liegt sein Charme dann vor allem in seiner speziell seidigen Konsistenz. Je mehr er arbeiten durfte, desto ausgeprägter wird es, und generell, kommt mir vor, ist Schweinedarm geschmacksintensiver und knackiger als Därme von Wiederkäuern.

Darm auf kalabrische Art.
Foto: Tobias Müller

Alle großen kulinarischen Kulturen kennen ihre eigenen Darmgerichte: In Istanbul ist Kokorec, auf der Straße knusprig gegrillter Darm, oft der krönende Abschluss eines langen Abends, in Neapel zum Beispiel werden Ziegenkitzdärme um ein Stück Fett gewickelt und dann gegrillt, und auch die Franzosen grillen ihre Andouillette gern, bevor sie sie in Senfsauce baden.

In Kalabrien werden vornehmlich Ziegendärme in scharfer Tomatensauce serviert, und die Römer setzten noch eines drauf und servieren Pajata, den Darm ganz junger Kälber, ungewaschen samt ihrem Inhalt. (Pajata ist trotzdem das geschmacklich wahrscheinlich mildeste Darmgericht.)

Andouille
Foto: Tobias Müller

Die Großmeister des Darmgenusses aber sind wahrscheinlich die Chinesen. Jede Provinz kennt ihre eigene Darmspezialitäten (in Peking werden neben der berühmten Ente auch gerne Entendärme serviert). Als ich gehört habe, dass meine liebe Freundin Xinxin für ihren chinesischen Dinnerabend Darm kocht, habe ich die Chance ergriffen und ihr dabei über die Schulter gesehen. Sie hat an dem Tag geräucherten Darm nach Sichuan-Art gemacht. Das geht einfacher, als es klingt, und schmeckt hervorragend.

Entendärme
Foto: Tobias Müller

Das Schwierigste an dem Gericht ist wahrscheinlich, (gut geputzten!) Schweinsdarm zu finden. In Wien sind mir anständig aussehende Därme in den vergangenen Wochen am Meiselmarkt und im Lilimarkt auf der Wienzeile aufgefallen. Wenn Sie gute Quellen kennen: bitte posten!

Wenn Sie nicht selber Darm kochen wollen: Kng Tao hat eine passable gebratene Version auf der Karte, das von mir geschätzte Hongkong Grillhaus (auf Chinesisch heißt es übrigens viel schöner "Großes Glück") serviert Sauerkraut mit Darm, und Anming Dim Sum Profi, den ich sonst für überschätzt halte, serviert sehr guten knusprigen Darm.

Kokorec scheint es in Wien öfters zu geben – ich freue mich über Tipps. Andouillette gibt es, soweit ich weiß, leider nicht, und der Italiener, der Darm serviert, existiert ebenfalls immer noch nicht. Vielleicht erbarmt sich der Raetus Wetter, ein großer Kuttelkoch, einmal.

Geräucherter Darm nach Xinxins Art

Zunächst den Darm sicherheitshalber noch einmal putzen. Xinxin legt ihn dafür ins Waschbecken, bedeckt ihn mit Wasser, schüttet ordentlich Mehl darüber und reibt die Därme mit der Paste einmal kräftig ab. Achtung: nicht zu viel vom köstlichen Fett wegreiben! Danach spült sie die Därme ordentlich sauber. Wenn Sie Ihrem Darmputzer vertrauen und Ihr Kochdarm bereits beim Kauf gut riecht, können Sie sich den Schritt auch sparen.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Einen Topf mit Wasser aufsetzen. Nicht zu knapp Sternanis, Sichuanpfeffer, getrocknete Chili, Zimtstangen, Lorbeerblätter und Frühlingszwiebel hineingeben und je einen kräftigen Schluck Xaoxingwein und Reisessig dazugießen. Zum Kochen bringen, den Darm zugeben, wieder aufkochen lassen und 15 Minuten blanchieren. Abgießen und die Gewürze entsorgen.

Foto: Tobias Müller

Darm in einen schweren Topf geben und jede Menge Sojasauce, etwas Sesamöl, ein paar Löffel Zucker, Fenchelsamen und eine Stange Zimt zugeben.

Foto: Tobias Müller

Mit Wasser bedecken, zum Sieden bringen und zugedeckt 45 Minuten köcheln lassen, bis der Darm weich ist. Herausheben und etwas auskühlen lassen.

Foto: Tobias Müller

Inzwischen einen Wok oder eine Pfanne zum Räuchern vorbereiten: Den Boden mit Alufolie bedecken, dann darauf Rosmarinzweige, gelben Zucker, grünen Tee, ein wenig Mehl und eventuell ein paar getrocknete Getreidekörner legen.

Foto: Tobias Müller

Den Darm in einer Schüssel daraufstellen, den Deckel schließen und auf hoher Hitze stehen lassen, bis es zu rauchen beginnt. Die Hitze auf niedrig zurückschalten und 10 Minuten räuchern lassen.

Foto: Tobias Müller

Voilà, Sie haben es geschafft. Jetzt müssen Sie den Darm nur mehr etwas auskühlen lassen und in Scheiben schneiden, dann können Sie ihn genießen. Xinxin serviert ihn zum Beispiel gern mit schwarzem Reis und Zichorie. (Tobias Müller, 20.3.2022)

Foto: Tobias Müller