Die russische Führung kann sich für die Ukraine eine "Neutralität nach österreichischem Vorbild" vorstellen, während sie weiter ukrainische Städte bombardieren lässt. Da schadet es nicht, noch einmal darauf zu bestehen, dass Österreich nur militärisch neutral ist – nicht politisch. Das betonten zuletzt vom Bundeskanzler abwärts ohnehin alle gewichtigen Stimmen in Österreich.

Karl Nehammer sagte darüber hinaus auch, dass er nicht daran denke, gerade jetzt über eine Abschaffung ebendieser Neutralität debattieren zu lassen. Die Mehrheit der Bevölkerung sei ohnehin gegen einen Nato-Beitritt. Ende der Diskussion. Das ist mehr als befremdlich, ein Diskussionsverbot bei einer so wichtigen Frage wirkt fast ein wenig hilflos.

Bundeskanzler Karl Nehammer betont, dass Österreich nur militärisch neutral ist – nicht politisch.
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Es wäre Nehammer besser angestanden zu erklären, wie seine Regierung die Neutralität künftig auszulegen gedenkt. Die Neutralität sollte Österreich jedenfalls nicht daran hindern, eine sehr aktive (außen-)politische Rolle einzunehmen. Etwa indem man die Anregung des Bundespräsidenten aufgegriffen hätte, sich aktiv darum zu bemühen, dass Friedensverhandlungen in Wien stattfinden. Oder noch besser: dass diese Verhandlungen überhaupt stattfinden.

Dinge in die Hand nehmen

Österreich hätte hier versuchen müssen, seine guten Verbindungen zu Russland, für die es sich jetzt eher geniert, einzubringen – im Einklang mit den EU-Partnern. Bis auf einen diesbezüglichen eher vagen Versuch des Außenministers war da bisher jedoch nicht viel zu bemerken.

Was Österreich jedenfalls, abseits jedweder Neutralitätsdebatten, gut anstünde, ist, innerhalb der EU eine weit aktivere Rolle als bisher bei der Bewältigung der sich massiv aufbauenden Fluchtbewegung einzunehmen. Es wäre hoch an der Zeit, die Kurz-Position und das Image des notorischen Routenschließers abzustreifen. Es wäre einfach, das zu tun, worum Flüchtlingskoordinator Gerald Knaus kürzlich fast händeringend gebeten hatte – die Dinge in die Hand zu nehmen und die Verteilung der Geflüchteten innerhalb Europas zu organisieren.

Knaus dachte dabei vor allem an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der eine solche Aufteilung unter europäischen Städten organisieren könnte. Doch das ist zu kurz gegriffen. Diese Aufgabe sollte die Bundesregierung an sich ziehen – und nicht zuletzt so auch zeigen, welche aktive und positive Rolle ein neutrales EU-Land in geopolitisch so schwierigen Zeiten einnehmen kann. (Petra Stuiber, 18.3.2022)