Karmasin-Nachricht an die Meinungsforscherin B.: "Sie brauchen Vergleichsangebote. Kann ich Deine Firma weitergeben, damit sie Dich einladen?"

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Sektionsleiter Trattner in der Absage an B.: "Aufgrund eines günstigeren Angebots können wir Ihnen diesen Auftrag leider nicht erteilen."

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Wo liefen im Sportministerium die Fäden zusammen, damit Sophie Karmasin zwei Aufträge über insgesamt gut 140.000 Euro (inkl. USt.) erhalten konnte? Welche Räder griffen ineinander, damit Karmasin vor diesen Aufträgen selbst "Mitbewerberinnen" nominieren konnte, die sie dann ausstechen konnte – und die ihr, als sie den Zuschlag bekommen hatte, bei der Umsetzung sogar noch zur Hand gingen?

Diese Fragen, die nach den Einvernahmen der in U-Haft befindlichen früheren Familienministerin Karmasin sowie der ebenfalls als Meinungsforscherinnen tätigen B. und G. auf der Hand liegen, haben das von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) geleitete Sportministerium unter Druck gebracht.

Antworten soll eine interne Revision liefern, mit der Eva Wildfellner betraut ist, die Generalsekretärin des Ministeriums. Ihre Sektion I geht den Abläufen in der von Philipp Trattner geleiteten Sektion II (Sport) nach. Es wäre freilich keine Überraschung, sollten die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) flotter zu Ergebnissen führen. Sie hat schließlich einiges – auch in dieser Causa – bereits ans Tageslicht gebracht.

Partner im Ministerium

Die Einvernahmeprotokolle und die E-Mails, in denen die Meinungsforscherinnen miteinander und mit dem Sportministerium verkehrten, liegen dem STANDARD vor. Herauslesen lässt sich nicht zuletzt, dass Karmasin und in weiterer Folge auch B. im Ministerium etliche Ansprech- oder auch nur Anschreibpartner hatten, neben Mitarbeiterinnen und einem Facharbeiter auch einen Abteilungsleiter sowie Trattner, also den Sektionsleiter persönlich. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

B. gab bei ihrer Einvernahme an, Karmasin habe sie im Frühjahr 2019 "ersucht, ein Scheinangebot zu legen". Tatsächlich liegt der WKStA ein E-Mail-Verkehr zwischen Karmasin und B. vom 7. April 2019 vor. Da schreibt Karmasin: "Ich brauche bitte Deine Hilfe für ein Angebot: Habe ein Angebot beim Sportministerium gelegt über 80 qual Interviews, bei denen Du dann klarerweise auch beteiligt bist. Es sieht gut aus, aber sie brauchen Vergleichsangebote. Kann ich Deine Firma weitergeben, damit sie Dich für anbo einladen?"

Darüber hinaus fragt Karmasin, ob B. ein drittes Institut kenne, das dem Sportministerium ebenfalls ein Angebot legen könne. Denn: "Besser wir bringen den 3. Kontakt als sie machen das."

"Sie", das steht für das zu diesem Zeitpunkt noch Heinz-Christian Strache (FPÖ) unterstehende Sportministerium, und "sie" hatten zumindest kein Problem damit, dass Karmasin ihre "Konkurrentinnen" selbst vorschlagen und damit klarerweise auch den Preis bestimmen konnte.

Dazu gab B. an: "Sophie Karmasin wollte sichergehen, dass ihr Angebot angenommen werden würde." Tatsächlich erhielt B. Anfang Mai, wenige Wochen nach ihrem E-Mail-Verkehr mit Karmasin und eine Woche vor Straches Rücktritt als Vizekanzler und FPÖ-Obmann, vom genannten Abteilungsleiter im Sportministerium die Einladung, ein Angebot für die Motivanalyse zu legen.

Mitarbeit und Lohn

Da in beiden Fällen, sowohl bei der "Motivanalyse Bewegung und Sport" (67 Seiten, 63.300 Euro) als auch bei der schon von Kogler beauftragten Studie "Frauen im Vereinssport" (44 Seiten, 26-seitiger Folder, 76.668 Euro), der Preis noch fünfstellig war, sparte sich das Sportministerium, wenn schon sonst nicht viel, eine Ausschreibung. Vor einer Direktvergabe waren freilich laut interner Richtlinie drei Angebote einzuholen.

Nachdem die "Motivanalyse Bewegung und Sport" an Karmasin vergeben worden war, hat B., wie sie zu Protokoll gab, für ihre Mitarbeit von Karmasin 11.650 Euro erhalten, von denen sie allerdings "Fremdkosten" abziehen musste.

Auch das Angebot für die Studie "Frauen im Vereinssport", sagte B. aus, habe sie im Juli 2020 allein deshalb dem Sportministerium (nun schon unter Kogler) geschickt, "weil Sophie Karmasin mich aufforderte, ein solches Angebot zu legen".

Die Einladung zur Angebotslegung, datiert mit 18. Juni 2020, und auch die Absage, datiert mit 10. August 2020, hatte B. in diesem Fall von Sektionsleiter Trattner erhalten. In der Absage heißt es: "Nach positiver sachlicher Prüfung müssen wir Ihnen dennoch mitteilen, dass wir Ihnen aufgrund eines günstigeren Angebots diesen Auftrag leider nicht erteilen können."

Das günstigere Angebot, jenes von Karmasin, hat sich dann auch für B. neuerlich nicht als ungünstig herausgestellt. Sie rekrutierte Teilnehmerinnen, moderierte für die Studie und bekam dafür von Karmasin insgesamt 1.880 Euro "gutgeschrieben".

Noch ein Scheinangebot

Für die Ermittelnden ist noch ein dritter Fall relevant. Dabei ging es um eine weitere Studie, die dem Sportministerium und Karmasin vorschwebte. Ihr Titel sollte "Rück- und Neugewinnung von Vereinsmitgliedern für Sportvereine" lauten, Auftragssumme knapp 73.000 Euro. Die Studie wurde letztlich nicht in Auftrag gegeben, Angebote hat das Sportministerium aber sehr wohl eingeholt. Auch hier gab B. an, Karmasin habe sie beauftragt, ein Scheinangebot zu legen. Karmasin habe ihr sogar die Preise gemailt, die sie offerieren sollte.

Vom STANDARD zu den Vorgängen in seiner Sektion befragt, hatte Trattner geantwortet, es entziehe sich seiner Kenntnis, wieso neben Karmasin just B. und G. gebeten wurden, Angebote zu unterbreiten. "Es gibt ja auch Fachabteilungen", sagte er da, "es läuft nicht alles über die Sektionsleitung."

Karmasin wurde am 3. März festgenommen, am 4. kam sie in Untersuchungshaft. Diese wurde auch deshalb verlängert, weil Karmasin, als sie nicht mehr Ministerin war, weiterhin einen Teil ihres Gehalts bezog, obwohl sie bereits neues Einkommen hatte. Das Gericht sieht dringenden Tatverdacht gegeben, Karmasin werden Untreue (bzw. Bestechung, Bestechlichkeit), Geldwäscherei und wettbewerbsbeschränkende Absprachen im Vergabeverfahren vorgeworfen. (Fritz Neumann, 18.3.2022)