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Satellitenaufnahmen vom 14. März zeigen, dass die Worte "Kinder" um das Theater in Mariupol geschrieben wurden.

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Die Reste des zerstörten Theatergebäudes in der Stadt Mariupol.

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In großen weißen Lettern hatten Unbekannte vor einigen Tagen das russische Wort "deti" auf den Platz vor dem Schauspielhaus der eingekesselten ostukrainischen Stadt Mariupol geschrieben – "Kinder". Satellitenaufnahmen vom 14. März belegen es. Nutzen sollte die Warnung nicht viel: Ein Bombenangriff legte am Mittwoch das altehrwürdige Theater, in dem – wie vor der russischen Invasion geplant – im Juni die Lemberger Indierockgruppe Odyn v Kanoe hätte auftreten sollen, in Schutt und Asche. Ukrainische und russische Behörden geben einander die Schuld an dem Angriff auf das rotgedeckte Gebäude, in dessen Luftschutzkeller bis zu 1.000 Menschen Schutz gesucht hatten.

Am Donnerstag waren Helfer fieberhaft damit beschäftigt, Verschüttete und mögliche Todesopfer aus den Trümmern zu bergen. Eine ukrainische Parlamentsabgeordnete meldete indes, dass 130 Menschen lebend gerettet werden konnten – "ein Wunder!". Wie viele Menschen bei dem Bombenangriff aber ums Leben kamen, ist derzeit unbekannt.

Katastrophale Lage

Aber auch ringsum ist die Lage der Zivilbevölkerung in Mariupol katastrophal. Serhij Orlow, der Vizebürgermeister der seit mehr als zwei Wochen eingekesselten Stadt am Asowschen Meer, berichtete im Magazin "Forbes Ukraine" von einer dramatischen Wasserknappheit. Da die Heizungen ohnehin nicht mehr funktionierten, entnähmen manche Bewohnerinnen und Bewohner Wasser aus den Heizungsrohren, um es zu trinken. "Manche sagen auch, dass sie es aus Pfützen nehmen. Als es Schnee gab, haben sie den geschmolzen." 80 bis 90 Prozent der Häuser in der zu Friedenszeiten von mehr als 400.000 meist russischsprachigen Menschen bewohnten Hafenstadt seien zerstört, sagt Orlow. Mindestens 2.500 Menschen wurden lokalen Angaben nach bisher durch russischen Beschuss in der Stadt getötet.

Die Bemühungen der ukrainischen Behörden um die Evakuierung Mariupols gehen indes weiter. Nachdem am Mittwoch etwa 30.000 Menschen in Privatautos die Stadt verlassen konnten, soll ein Tanklaster mit Kraftstoff für Privatautos vom nahegelegenen Saporischschja aus nach Mariupol geschickt werden, um weiteren Zivilistinnen und Zivilisten die Flucht zu ermöglichen. Immer wieder geraten die Menschen dabei aber unter Beschuss, Hilfskonvois kommen nicht durch.

Auch im Osten Kiews schlugen in der Nacht auf Donnerstag Raketentrümmer in einem Hochhaus ein. Drei Bewohner wurden nach ukrainischen Angaben verletzt. Bei Angriffen auf die nordukrainische Stadt Tschernihiw kamen unterdessen nach Angaben örtlicher Behörden mehr als 50 Menschen ums Leben. "Allein in den letzten 24 Stunden sind 53 Leichen unserer Bürger, die vom russischen Aggressor ermordet wurden, in den Leichenhallen der Stadt eingetroffen", teilte der Chef der Militärverwaltung des Gebiets, Wjatscheslaw Tschaus, am Donnerstag mit. Auch aus Charkiw im Norden und Cherson im Süden der Ukraine wurden Angriffe gemeldet.

Scharfe Worte aus den USA

US-Außenminister Antony Blinken sprach am Donnerstag von "Kriegsverbrechen" in der Ukraine. US-Präsident Joe Biden, der Wladimir Putin erstmals am Mittwoch als Kriegsverbrecher bezeichnet hatte, nannte den Kremlchef am Donnerstag einen "mörderischen Diktator".

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat derweil am Donnerstag Deutschland dazu aufgerufen, eine führende Rolle im Kampf für die Unabhängigkeit der Ukraine zu übernehmen. In einer Videoansprache vor dem Deutschen Bundestag erinnerte Selenskyj an die Teilung Deutschlands im Kalten Krieg. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte Kiew weitere Hilfen in Aussicht, einen Nato-Einsatz schloss er aber aus. (Florian Niederndorfer, 17.3.2022)