Teures Gut: Papierbestände in der Mediaprint-Druckerei in Wien-Inzersdorf, in der neben der "Krone" und dem "Kurier" auch DER STANDARD gedruckt wird.

Foto: Heribert Corn

Zeitungen werden sichtlich dünner, ganz im Gegensatz zur Nachrichtenlage. Russlands Krieg gegen die Ukraine spielt eine tragende Rolle dabei, warum die Blätter weniger Seiten zählen: Die Produktion von Papier erfordert viel Energie, und der Krieg hat die Gaspreise in gewaltige Höhen getrieben.

Der Papierpreis zog schon vor dem Krieg und den Energiekosten massiv an: 2020 und Anfang 2021 lag er um 400 Euro pro Tonne und teils darunter. Derzeit, im ersten Quartal 2022, hat er mehr als 900 Euro erreicht, von 940 Euro pro Tonne berichten einzelne Verlagsmanager. Der Preis für Altpapier, aus dem Zeitungspapiere großteils bestehen, hat sich grob verdreifacht.

Große Zeitungskonzerne in Österreich brauchen, geschätzt, mehr als 60.000 Tonnen Papier pro Jahr. Zahlten sie 2021 noch 400 Euro pro Tonne und nun 900, ergibt das Mehrkosten von 30 Millionen Euro.

Zeitungen und Magazine reduzieren ihre Umfänge und teils auch ihre Auflagen, um diesen Kostendruck zumindest zu bremsen. Verkaufs- und Abopreise sind ein Thema.

"Verrückte Situation"

Markus Mair ist Präsident des Zeitungsverbands VÖZ und Vorstandschef eines der größten Medienkonzerne Österreichs, der Styria Media AG mit Kleine Zeitung und Die Presse.

"Wir haben eine solche Entwicklung in den letzten drei Jahrzehnten nicht erlebt", sagt Mair zum Papierpreis-Höchststand. "Nun stellt sich die Frage: Ist das ein anhaltender Effekt? Eine Prognose traut er sich nicht zu, mit Blick auf die Entwicklung in der Ukraine, aber auch auf Treibstoffpreise – die trotz rückläufiger Erdölpreise vorerst auf sehr hohem Niveau bleiben. "Das ist eine verrückte Situation", sagt Mair. Aber: "In Summe wird das natürlich ein schwieriges Jahr – nicht nur für unsere Branche, sondern für die gesamten Volkswirtschaften Europas."

"Eine weitere Themen- und Problemstellung in einer ohnehin sehr ambitionierten Zeit als Zeitungsmacher", seufzt Presse-Herausgeber Rainer Nowak trocken.

Christoph Niemöller, in der Geschäftsführung des Krone-Kurier-Zeitungskonzerns Mediaprint für Druck zuständig, hofft, dass im zweiten Quartal ein Extremwert erreicht ist und sich die Lage im dritten oder spätestens vierten Quartal je nach Entwicklung in der Ukraine "etwas besser darstellt".

Derzeit sei die Situation für die Printbranche "extrem schwierig". Die Papierindustrie gebe die Entwicklung der Energie- und Rohstoffkosten weiter, Zeitungen aber könnten das nicht oder nur teilweise.

Nachschub "herausfordernd"

Siivia Lieb, Vorstand der Moser Holding, beschreibt das Gesamtbild so: "Seit Jänner sind wir mit einer Verdoppelung des Papierpreises gegenüber dem Vorjahr konfrontiert. Zwischenzeitlich wurden wir in Anbetracht der explosionsartigen Entwicklung der Gas- und Strompreise, der Gefährdung der Versorgungssicherheit insbesondere bei Gaslieferungen aus Russland und auch infolge der deutlich höheren Chemikalien- und Transportkosten ab sofort und bis auf weiteres mit einem weiteren Zuschlag von weiteren etwa 30 Prozent konfrontiert. Dies trifft uns bei unseren Printmedien, insbesondere Tiroler Tageszeitung und den Gratiswochenzeitungen der RMA sowie der Bezirksrundschau natürlich unmittelbar."

"Das Preis- und Kostenthema ist die eine Seite, die Gefährdung der Versorgungssicherheit ist die andere Seite", erklärt Lieb. Hersteller haben von Zeitungspapier auf Verpackungsmaterial umgestellt. Die Papierfabrik von Norske in Bruck an der Mur stellte zuletzt die Produktion ein – vorübergehend und für die Umstellung auf eine neue Energieversorgung. Lieb: "Es wird herausfordernd, für alle Abnehmer die geforderte Menge zu erhalten."

Dazu kommt. "Wir sehens uns selbst natürlich – vor allem in unseren Produktionsstätten – ebenfalls mit exorbitanten Strom- und Gaskostensteigerungen konfrontiert. Hinzu kommen steigende Transportkosten, Steigerungen und auch Verknappungen bei anderen Materialien und -kosten."

Liebs Fazit: "Eine Einschätzung für die Zukunft ist in dieser Ausnahmesituation unmöglich und wäre nicht seriös machbar. Wir müssen hier die Entwicklung der nächsten Wochen beobachten."

Gute Nerven gefragt

Zeitungspapier, aber auch höherwertiges Papier für Beilagen und Magazine ist jedenfalls nicht mehr verlässlich verfügbar, erklärt Martin Kneschaurek, Verlagsleiter Print beim STANDARD. Neben Papierpreis und -versorgung schlagen die Spritpreise auch in der Zeitungszustellung zu Buche. Covid erschwerte die Zeitungszustellung. "Print kommt in Summe unter Druck – und zwar gewaltig", sagt Kneschaurek. Nachsatz: "Man braucht in dieser Situation echt gute Nerven und gutes Management."

"Was sich auf dem Markt abspielt, das hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben", sagt Wolfgang Zekert. Der Geschäftsführer der Mediengruppe Österreich: "Wenn die Papierpreise sich fast verdreifachen, stellt sich die Frage, ob Tageszeitungen noch mit gutem Gewissen finanzierbar sind." Er spielt auf die Corona-Sondermedienförderung 2020 an. "Vielleicht könnte die Politik nachdenken, ob sie der Branche in der Situation wie 2020 noch einmal hilfreich zur Seite stehen kann." (Harald Fidler, 18.3.2022)