Langfristig werden sich die meisten immer wieder mit Corona infizieren – aber das Risiko eines schweren Verlaufs ist sehr gering. Geimpfte und zusätzlich von Omikron Genesene sind aktuell am besten geschützt.

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Maske tragen, Maßnahmen berücksichtigen, Booster holen: Viele haben während der Pandemie sich selbst und andere so gut wie möglich geschützt. Doch künftig wird das schwieriger: Nachdem Anfang März ein Großteil der Maßnahmen gelockert wurde, verkündete Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) Anfang dieser Woche weitere Änderungen. Die Quarantäneregeln werden gelockert, die kostenlosen Corona-Tests limitiert. Indes berichten Ärztinnen und Pfleger von angespannt instabilen Situationen in den Spitälern. Wie geht es jetzt weiter?

Frage: Wir erleben die höchste Welle seit Beginn der Pandemie. Müsste nicht bald die Durchseuchung erreicht sein?

Antwort: Das Gefühl trügt. Ja, die Infektionszahlen sind so hoch wie nie, aber der Weg zur Herdenimmunität ist ein langer: Wenn sich pro Tag wie aktuell rund 50.000 Menschen mit dem Virus infizieren, ist nach 100 Tagen mit fünf Millionen gut die Hälfte der Bevölkerung infiziert. "Die Durchseuchung würde bei gleichbleibend hohen Zahlen demnach circa drei Monate dauern. Man müsste nämlich, wenn man wirklich durchseuchen will, alle noch einmal mit Omikron infizieren – auch jene, die schon von älteren Virusvarianten genesen sind", erklärt die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck.

Frage: Sind Genesene vor einer weiteren Ansteckung geschützt?

Antwort: Das ist aufgrund der unterschiedlichen Varianten schwer zu sagen. Was man weiß: "Ungeimpfte haben nach einer Omikron-Infektion kaum Antikörper", sagt von Laer. Klinische Daten fehlen dazu, aber "es ist davon auszugehen, dass ungeimpfte Genesene keinen guten und langen Schutz haben". Die Virologin empfiehlt nach Infektion daher zumindest eine Impfung.

Geimpfte hingegen können optimistischer sein: "Jene, die geimpft sind oder eine Infektion mit einer älteren Variante hatten und zusätzlich von Omikron genesen sind, sind wohl ein Jahr oder länger immun – außer es kommt eine neue Variante." Für das Entstehen einer neuen oder auch einer Mischvariante wie der kürzlich entdeckten Deltakron spielen die Infektionszahlen eine entscheidende Rolle. Eine Mischvariante kann dann entstehen, wenn Menschen zwei Varianten gleichzeitig in sich tragen, denn: je mehr Infektionen, desto mehr Möglichkeiten für das Virus zu mutieren. Sind unterschiedliche Varianten gleichzeitig aktiv, steigt das Risiko für Doppelinfektionen und damit die Chance zur Virus-Rekombination.

Frage: Manche hatten jetzt schon mehrmals Corona. Wird das für immer so weitergehen?

Antwort: Die meisten werden sich langfristig immer wieder infizieren, ja. Aber Infektion ist nicht gleich Infektion. Jeder Kontakt mit dem Virus, wie auch die Impfung, reduziert das Risiko für schwere Verläufe.

Sars-CoV-2 ist nicht das einzige beim Menschen vorkommende Coronavirus. Bei anderen Coronaviren beobachtet man einen Infektionszyklus von etwa drei Jahren – mit dem Unterschied, dass diese Viren weniger infektiös sind als Sars-CoV-2. "Wir werden uns regelmäßig anstecken. In den nächsten Jahren vielleicht sogar ein bis zweimal im Jahr", sagt Ulrich Elling, Molekularbiologe von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Frage: Was bedeutet das für das Risiko, an Long Covid zu erkranken?

Antwort: Dazu gibt es keine endgültigen Daten. Es ist auch noch unklar, ob die Schwere des Verlaufs einen Einfluss darauf hat, wie wahrscheinlich es ist, Long Covid zu entwickeln. Grundsätzlich ist jede Infektion ein Risiko für Langzeitfolgen, erklärt von Laer: "Man kann auch bei einer Reinfektion von Long Covid betroffen sein, wenn man bei der Erstinfektion keine Spätfolgen hatte. Ob das bei einer zweiten oder dritten Infektion weniger wahrscheinlich ist als bei der ersten, weiß man noch nicht."

Frage: Bei vielen ist der Drittstich schon eine Weile her. Braucht es jetzt den vierten Stich?

Antwort: Für Risikogruppen mit beeinträchtigtem Immunsystem ist dieser wichtig. Virologin von Laer betont: "Jene, die sich in den nächsten Wochen nicht gut isolieren können, sollten auffrischen." Für gesunde Menschen gibt es derzeit noch keine Empfehlung für eine vierte Impfung. Otfried Kistner, unabhängiger Impfstoffexperte, sagte dazu: "Man weiß, man muss irgendwann nachimpfen. Das ist auch bei anderen Impfungen so, FSME oder Tetanus etwa. Die Frage ist, wann und wie oft das nötig wird. Die Daten dafür werden derzeit generiert."

Frage: Lohnt es sich, auf den angepassten Impfstoff zu warten?

Antwort: Die Auslieferung des an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffs verzögert sich. Biontech/Pfizer hofft auf eine Lieferung im Mai, jener von Moderna soll im August kommen. Wer bereits einen vierten Stich braucht, sollte deshalb keinesfalls warten. Auch die jetzigen Impfstoffe bieten einen sehr hohen Schutz vor schwerem Verlauf und vor allem vor tödlichem Ausgang einer Infektion. (Pia Kruckenhauser, Magdalena Pötsch, 18.3.2022)