Das freistehende Einfamilienhaus: Wohntraum der meisten Österreicherinnen und Österreicher.
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Es ist beliebt, es ist begehrt, es ist umstritten: Keine Wohnform sorgt so regelmäßig für Diskussionen wie das Einfamilienhaus. Warum sollte man auch darauf verzichten, wenn man es sich leisten kann? Die anderen tun’s ja auch. Nun, ein paar Gründe gäbe es da schon.

Pro: Die Menschen wollen so wohnen

Fragt man die Österreicherinnen und Österreicher, wie sie am liebsten wohnen würden, lautet die Antwort in den allermeisten Fällen: im Einfamilienhaus. Die Menschen wollen nun mal so wohnen – und das ist eigentlich auch schon das allerwichtigste Argument dafür. Viele sind selbst so aufgewachsen und schätzen hier Ruhe, Privatsphäre, Platz – all das also, was in vielen Wohnungen in Ballungszentren längst zur Mangelware geworden ist.

Auch der eigene Garten ist ein wichtiges Argument, gerade mit Kindern, gerade jetzt. Wer in der Zeitung von Corona, drohenden Blackouts oder dem Krieg liest, schaut noch viel zufriedener hinaus auf sein kleines Gemüsebeet. Sicher ist sicher.

Und dann bietet sich mit einem Hausbau die Möglichkeit, sich etwas ganz nach seinen Wünschen zu schaffen, von der Dachform bis zur Aufteilung der Räume. Dass dabei viel zu oft auf gute Architektinnen und Architekten verzichtet und stattdessen ein wenig ästhetisches Fertigteilhaus aufgestellt wird, ist schade. Aber immerhin darf man hier bei jeder Steckdose mitreden. Das ist viel wert in einer Welt, in der vieles außer Kontrolle zu sein scheint.

Durch die Corona-Pandemie wurde das Einfamilienhaus noch einmal mehr zum Sehnsuchtsort. Viele, denen in der Stadt in den Lockdowns die Decke auf den Kopf fiel, haben sich auf die Suche nach einem Zuhause im Speckgürtel gemacht. Die Auswahl ist hier derzeit entsprechend begrenzt, die Preise entsprechend hoch. Der Traum wird für viele ein Traum bleiben.

Alte Häuser neu denken

Ja, Kollege Putschögl nebenan hat wie immer recht: Ein Einfamilienhaus ist keine besonders nachhaltige Wohnform. Nur ist Einfamilienhaus nicht gleich Einfamilienhaus. Es gibt über das Land verteilt viele Bestandshäuser, die leer stehen oder von den einstigen Erbauerinnen und Erbauern im Alter längst als Last empfunden werden. Diese Häuser ließen sich adaptieren, energetisch auf den neuesten Stand bringen, umnutzen, neu denken, ohne dass man dafür Ressourcen verschwendet.

Die mit dem Einfamilienhaus in der zersiedelten österreichischen Landschaft oft einhergehende Angewiesenheit auf ein, zwei oder drei Autos ist natürlich ein Problem. Aber viele Menschen sind seit Corona ohnehin im Homeoffice und wollen das auch dauerhaft bleiben. Und auch in vielen Gemeinden auf dem Land wird Mobilität mittlerweile zum Thema. Vielerorts werden gute Alternativen zum Auto gesucht – und manchmal auch gefunden.

Nein, ich will Ihnen hier nicht erzählen, dass das Einfamilienhaus die beste aller Wohnformen ist. Aber es gibt leider kaum Alternativen, die die dahinterstehenden Bedürfnisse erfüllen können. Darüber, dass Stadtplanung, Architektur, Politik hier augenscheinlich versagt haben, könnte und sollte man sich mehr aufregen als über das Einfamilienhaus. (Franziska Zoidl, 19.3.2022)

Kontra: Es ist nicht nachhaltig

Alle denken an die Kinder, aber niemand an die Enkel: So lässt sich salopp umschreiben, was sich in Österreich seit Jahrzehnten beim Wohnen abspielt. Munter werden immer noch Siedlungsgebiete für Einfamilienhäuser gewidmet, als gäbe es kein Morgen. Gewidmetes Bauland gäbe es zwar auch jetzt schon zum sprichwörtlichen Saufüttern, aber das ist oft nicht verfügbar.

Also wird gewidmet, besonders gern neuerdings rund um Schotterteiche, wie mir scheint. Bürgermeister lieben Einfamilienhäuser, weil beim Umwidmen meist niemand was dagegen hat (ganz im Gegenteil), weil sie Häuslbauer für fleißig und unkompliziert halten und Bauplätze für Einheimische brauchen, damit die dableiben. Jungfamilien lieben Einfamilienhäuser, weil die lieben Kleinen dann rund um die Uhr in den Garten können. Also, theoretisch. Zaun aber nicht vergessen, denn draußen brettern SUVs mit 60 km/h vorbei.

Apropos: das Auto. Es hat den Traum vom Einfamilienhaus für so viele Menschen überhaupt erst möglich gemacht. In den letzten 60 Jahren. Siedlungsgeschichtlich betrachtet ist es nämlich so, dass es früher für die Menschen viel besser war, eng aneinander zu bauen. Ja gut, vielleicht nicht bei einer Feuersbrunst oder einer Pandemie. Obwohl, das will ich hier auch anbringen: Gerade in der laufenden Pandemie hat die dichte Stadt ihre Effizienz unter Beweis gestellt. Ich sage nur Testsystem.

Der Flächenverbrauch ist zu hoch

Aber ja, Kollegin Zoidl drüben hat schon recht: Fast alle wollen ein Einfamilienhaus. Es gilt als Ideal, es wird aber halt auch von der Banken- und Baumarktwerbung als einzig denkbare Lebensweise glorifiziert. Das führt dazu, dass man am Land schief angeschaut oder sogar bemitleidet wird, wenn man in einem Mehrparteienhaus lebt. Und so werden in Österreich jedes Jahr zwischen 15.000 und 20.000 Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet.

Freilich kann man es auch ökologisch vorbildlich bauen; "enkeltauglich", wie man das im Westen Österreichs gern nennt. PassivhausStandard in Holzbauweise mit Dämmung aus nachwachsenden Rohstoffen, Erdwärme, Photovoltaik, dazu ein E-Auto. Viele bemühen sich eh darum, müssen dann aber halt doch die Abstriche machen, die die Bauordnung zulässt.

Schon allein deshalb, weil der Dauersiedlungsraum in Österreich begrenzt ist, kann das nicht mehr lange so weitergehen. Der Platz geht uns aus; und nicht nur uns: Es gibt immer weniger Lebensraum für Flora und Fauna, die Biodiversität sinkt rapide.

Ja, immer mehr Ortskaiser denken um. Widmen Flächen für die platzsparendste Variante des Einfamilienhauses, das Reihenhaus. Geschlossene Bauweise: Das war die logische Bauweise, bevor das Auto kam.

Und es bräuchte dringend mehr Bemühungen, vorhandene Strukturen zu nutzen. Doch wir sind halt auch beim Bauen leider zur Wegwerfgesellschaft geworden. (Martin Putschögl, 19.3.2022)