Bojko Borissow auf dem Weg zum Verhör in einer Polizeistation in Sofia, Juli 2021.

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Sofia – Der frühere bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow ist wegen des Verdachts auf Missbrauch von EU-Geldern festgenommen worden. Auch Ex-Finanzminister Wladislaw Goranow, die frühere Chefin des Haushaltsausschusses des bulgarischen Parlaments, Menda Stojanowa, sowie die frühere Chefin der Regierungspressestelle, Sewdalina Arnaudowa, sind festgenommen worden, wie die amtliche Nachrichtenagentur BTA am Donnerstagabend unter Berufung auf das Innenministerium berichtete.

Borissow und weitere Vertreter seiner Partei seien bei einem "Großeinsatz im Zusammenhang mit 120 Verfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft in Bulgarien" festgenommen worden, erklärte das Innenministerium. An vielen Adressen habe es Durchsuchungen und Beschlagnahmen gegeben, hieß es ohne nähere Details. Borissow war mit kurzer Unterbrechung von 2009 bis 2021 Ministerpräsident Bulgariens gewesen. Borissows bürgerliche GERB-Partei gehört im EU-Parlament zur Europäischen Volkspartei (EVP) – ebenso wie die ÖVP in Österreich oder CDU und CSU aus Deutschland.

EU-Generalstaatsanwältin in Sofia

"Niemand steht über dem Gesetz", schrieb Regierungschef Kiril Petkow auf Facebook. Seine Anti-Korruptionspartei PP regiert seit Dezember 2021 mit einem Vier-Parteien-Kabinett. EU-Generalstaatsanwältin Laura Kövesi hatte Sofia am Mittwoch und Donnerstag besucht. Sie traf mit Vertretern der Regierung und der Justiz zusammen.

Der Pressesprecher der GERB-Partei, Nikola Nikolow, bestätige die Festnahme nicht. Die Polizei mache in den Häusern Borissows und den anderen Razzien zur Untersuchung. Die Personen seien aber nicht verhaftet und das Innenministerium verbreite Falschnachrichten. Der GERB-Vizechef und Ex-Außenminister im zweiten Kabinett Borissows, Daniel Mitow, sagte, die Razzia sei ein Versuch der Regierenden, das Volk von den Problemen abzulenken.

120 Verfahren wegen Veruntreuung

Kövesi hatte Petkows "Entschlossenheit" im Kampf gegen die Korruption hervorgehoben und betont, es sei an der Zeit, dass die bulgarischen Behörden mit der EU-Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung "besonders sensibler Fälle" zusammenarbeiteten. Laut Kövesi haben Ermittler ihrer Behörde 120 Verfahren wegen Veruntreuung von EU-Geldern eröffnet, darunter Agrarhilfen, Geld für Bauprojekte und zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise.

Petkows neu gegründete Anti-Korruptionspartei hatte die Parlamentswahl im November überraschend klar gewonnen. Borissows insgesamt zehnjährige Zeit als Regierungschef war von Korruptionsvorwürfen überschattet. (red, APA, 17.3.2022)