Eine Sitzung zwischen Gecko-Mitgliedern, Regierung und Landeshauptleuten Anfang Jänner.

Foto: APA/HANS PUNZ

Hat bei manch einem Gecko-Mitglied keinen guten Stand: die medizinische Leiterin des Gremiums, Katharina Reich.

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Nach nur drei Monaten droht der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination, kurz Gecko, ihre ganz eigene Krise. Vor der Sitzung des 22-köpfigen Expertengremiums am Freitag um 14.30 Uhr herrschte dicke Luft. "Der Unmut ist bei manchen in Gecko groß – und schließt mich mit ein –, wie es in den letzten Wochen gelaufen ist", sagte der Molekularbiologe Andreas Bergthaler der "Wiener Zeitung" im Vorfeld. Bergthaler spielt damit vor allem auf die Corona-Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung an, die nicht mit Gecko abgestimmt worden seien.

Ein STANDARD-Rundruf bestätigt die Tristesse – zumindest in Ansätzen. "Wenn kein kleines Wunder passiert, dann ist die heutige Gecko-Sitzung meine letzte", sagt ein zentrales Gecko-Mitglied, das vorerst noch anonym bleiben möchte. Der Frust scheint aber schon zu tief zu sitzen. Das Mitglied traut dem grünen Neo-Gesundheitsminister Johannes Rauch eigentlich nicht mehr wirklich zu, für einen Sinneswandel zu sorgen. Die Problemauflistung ist eine entsprechend lange.

"Politisch nicht gewünscht"

Eigentlich sei die Idee hinter dem Gremium eine vernünftige gewesen, erklärt das Mitglied: nämlich einen gesamtstaatlichen Ansatz in Sachen Impfen, Testen und Arzneimittelversorgung zu erstellen. Doch nach drei Monaten finde das alles eben "nicht statt", weil es offenbar politisch auch nicht gewünscht sei.

Die Realität sehe eher so aus, dass das Team um die medizinische Gecko-Leiterin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, mehr mit Kabinetten verhandle, als dass nach wissenschaftlicher Evidenz gesucht werde, lautet der Vorwurf. Bisher soll es sogar so gewesen sein, dass die Fragestellungen der Gecko-Kommission erst vom Kanzleramt und Gesundheitsministerium genehmigt werden mussten, bevor das Gremium überhaupt mit der Arbeit habe beginnen können. Gecko solle nicht zu selbstständig werden, wird moniert.

"Solche Mimosen sind wir alle nicht"

Der Virologe Herwig Kollaritsch sieht derzeit noch keinen Grund, das Gremium zu verlassen. Mit der Expertise in seinem Bereich, dem Impfen, sei er letztlich immer durchgekommen, erklärt Kollaritsch: "Da kann ich nicht beleidigt sein." Bei der Impfpflicht sei zwar sowohl das Timing als auch die Kommunikation der Politik "denkbar schlecht" gewesen. Aber sie sei immerhin ein Instrument, das nach wie vor dienlich sein könnte, sollte der kommende Corona-Herbst wieder zu einer Herausforderung werden.

Aber Kollaritsch kann sich gut vorstellen, dass manche Gecko-Mitglieder irgendwann "verdrießlich" werden, wenn das Gremium – wie in der Vergangenheit – von der Politik mitunter als Ausrede verwendet wird. "Das hat mir teilweise auch nicht gefallen, weil es einfach nicht gestimmt hat – aber das wurde von Gecko-Proponenten ohnedies korrigiert."

Es sei schon eine Menge Arbeit, die in Gecko fließe, weshalb es für Expertinnen und Experten frustrierend sein könne, wenn die Expertisen dann politisch nicht so umgesetzt werden wie gewünscht. Aber Gecko sei eben ein Gremium, das Empfehlungen abgebe, für die Entscheidungen der Politik sei man nicht verantwortlich. "Man muss das pragmatischer sehen", sagt Kollaritsch. "Solche Mimosen sind wir alle nicht."

In dieselbe Kerbe schlägt auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Auch er sei "nicht immer glücklich" darüber gewesen, wie die türkis-grüne Regierung mit den Empfehlungen des Gecko-Gremiums umging. Aber letztlich müsse die Politik auch auf die Stimmung und Akzeptanz in der Bevölkerung eingehen. Daher habe Szekeres auch ein gewisses Verständnis dafür, dass Entscheidungen getroffen werden, die nicht eins zu eins mit der Wissenschaft konform gehen, die grundsätzlich vorsichtiger agiere.

Der Charme von Gecko

Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein bleibt auf STANDARD-Nachfrage vorerst an Bord, hofft aber, bald nicht nur mehr mit Karlheinz Kopf, dem Generalsekretär der Wirtschaftskammer, am Tisch zu sitzen, "um zu zweit über die Arbeitswelt zu reden". Denn wenn "tolle medizinische Experten gehen wollen", würde er dies "sehr bedauern. Der Charme von Gecko war ja die Multidisziplinarität", so der Arbeitnehmervertreter, der den Groll vieler Mitglieder aber verstehe.

"Dass die Antworten, die Gecko auf Fragen der Regierung abgab, oft ignoriert und genau das Gegenteil getan wurde, ist ja zum Teil politisch und demokratisch verständlich", führt Klein aus, "aber wenn wir A sagen, die Regierung B macht und sich dann auch noch auf uns beruft, das ist ärgerlich."

Auch Florian Krammer durch Regierung "frustriert"

Doch andere hochrangige Wissenschafter geben ihre Hoffnung auf ein vernünftiges Pandemiemanagement der Regierung auf. Florian Krammer, österreichischer Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, twitterte als Reaktion auf die WHO, die am Donnerstag (wieder) vor einer Aufhebung der Schutzmaßnahmen warnte: "Ich hab's aufgegeben." Auf Nachfrage des STANDARD, was er damit meinte, führte Krammer am Freitag aus: "Ich finde die Lockerungen zum momentanen Zeitpunkt fahrlässig und sehe auch nicht, wie man die Regierung dazu bringen könnte, diese zurückzunehmen." Nachsatz Krammers: "Es ist frustrierend." (Irene Brickner, Jan Michael Marchart, Colette M. Schmidt, 18.3.2022)