Russisches Gastspiel: 2021 präsentierte die Ural Vision Gallery aus Jekaterinburg bei der "Viennacontemporary" in Wien Arbeiten des Künstlerkollektivs Osip Toff. Eine Anreise für die Auflage im Herbst, ist noch ungeklärt.
Foto: Viennacontemporary 2021, Manuel Carreon Lopez

Wladimir Putins Angriffskrieg löste in der Kunstszene eine Welle der Solidarität für die Ukraine aus. In Europa fiel diese wohl stärker aus als anderswo. Pauschale Boykottaufrufe gegen "Russisches" hielten sich (noch) in Grenzen. Im Eifer der Empörung erwarten einige von Institutionen und Personen die proaktive Distanzierung vom kriegerischen Regime. Selbst dann, wenn diese nie zuvor in Putins direktem Umfeld oder überhaupt politisch in Erscheinung getreten waren.

Der aus schicken Galerieräumlichkeiten in Berlin und Wien oder von heimeligen Wohnzimmern aus lancierte Generalverdacht: Wer nicht öffentlich abschwöre, der befürworte insgeheim. Eine naive Beurteilung, die – Toleranz hin oder her – ein Schweigen nicht duldet. Gefordert von Menschen, die niemals den Repressalien einer Diktatur ausgesetzt waren, die Existenzen vernichten oder Angehörige gefährden können.

Distanzierung oder Boykott

Dieserart geriet jetzt hinter den Kulissen der russische Mehrheitseigentümer der Viennacontemporary in den Fokus. Anlass gab eine auf dem Facebook-Account der Kunstmesse am Tag der Invasion veröffentlichte Erklärung, in der die Werte der Menschlichkeit und Solidarität über jede Form der Aggression gestellt wurden und die Unterstützung von "Kollegen und Freunden in der Ukraine" zusicherte.

Woran sich ein Grüppchen übereifriger Galeristen und Galeristinnen aus dem Teilnehmerfeld der jährlich im Herbst anberaumten Messe stieß? Die Stellungnahme erschien im Namen des Geschäftsführers Markus Huber und des künstlerischen Leiters Boris Ondreièka. Der Name von Dmitri Aksenow fehlte – auch auf den Listen der von den USA, Großbritannien oder der EU sanktionierten Personen übrigens.

Das sei doch unerheblich, zündelte man. Irgendwie und zumindest indirekt müsse der erfolgreiche Immobilienentwickler ja wohl vom Regime profitiert haben, so die Mutmaßung. Andernfalls hätte er ja weder Aufträge noch Baugenehmigungen für seine Projekte in Moskau und Umgebung bekommen.

Dmitri Aksenow (55): russischer Unternehmer und Philanthrop mit engen familiären Verbindungen in die Ukraine.
Foto: Viennacontemporary

Jahrelang hatte eine Vielzahl von Galeristen die Investitionsfreude des 1966 in Nowosibirsk geborenen Philanthropen in Anspruch genommen. Nun fordert man Einblick in dessen politische Gesinnung, andernfalls droht manch einer mit Boykott.

Enge familiäre Verbindung in die Ukraine

Dabei ist Aksenow, wie so viele andere, aufgrund seiner engen familiären Verbindungen in die Ukraine derzeit ebenfalls vom Konflikt betroffen. Seine Eltern seien ukrainische Staatsbürger, hört man. Er selbst wuchs in Prypjat auf, jener 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kernkraftwerks Tschernobyl errichteten Stadt, die nach dem Reaktorunglück 1986 geräumt werden musste.

Als erfolgreicher Geschäftsmann gründete er 2012 die unter "Aksenov Family Foundation" firmierende Privatstiftung, die seither eine breite Palette von kulturellen Initiativen in Russland, aber auch in Europa unterstützt. Im gleichen Jahr erfolgte einst der Einstieg in die Betreibergesellschaft der Viennafair, die 2015 in Viennacontemporary (VC) umbenannt wurde. Der ursprüngliche Anteil belief sich auf 70 Prozent, mittlerweile liegt er bei 100 Prozent.

Investitionen in den Messestandort Wien

Mit dem Schwerpunkt auf Kunst aus Zentral- und Osteuropa pflegte die VC ein Alleinstellungsmerkmal, das einst auch Sponsorengelder bescherte. Bis 2015 unterstützte die Erste Group die Teilnahme der Galerien aus dieser Region mit mehr als 100.000 Euro jährlich.

Zuletzt gab es eine Marketingkooperation, die 2020 auslief. Für das auf junge Kunst zugeschnittene Ausstellungsformat Zone 1 steuerte das Kulturministerium (BMKÖS) 50.000 Euro bei, weitere 10.000 Euro spendierte die Stadt Wien für das Vermittlungs- und Vernetzungsprogramm.

Einen Gewinn bescherte die Messe der VC Artevents GmbH bislang nicht. Über die Jahre summierte sich Dmitri Aksenows finanzielles Engagement "auf einen hohen einstelligen Millionenbetrag", heißt es offiziell. Dem Vernehmen nach soll er knapp zehn Millionen Euro für die defizitäre Messe und damit auch den Messestandort Wien springen haben lassen.

Klassik- und Festspielfreund

Nicht die einzige Investition des zweifachen Familienvaters, dem man im Februar 2020 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ans Revers heftete: Seine Stiftung ist auch Initiatorin und Produzentin eines Förderprogramms für russische Komponisten. Ende Dezember gab man in diesem Zusammenhang eine strategische Partnerschaft mit dem Klangforum Wien bekannt.

2013 hatte der 55-Jährige außerdem den Verein "Russische Freunde der Salzburger Festspiele" gegründet: eine informelle Gruppe von etwa 15 Personen, die als Silver-Club-Mitglieder einen jährlichen Förderbeitrag von 10.000 Euro leisten.

Keiner dieser Festspielfreunde sei "direkt von den gegen Russland verhängten Sanktionen betroffen oder steht in Verbindung mit der russischen Regierung", heißt es aus seinem Umfeld auf Anfrage.

Derzeit arbeitet das VC-Team intensiv an den Vorbereitungen der von 8. bis 11. September im Kursalon anberaumten Messe, die in ihr Programm gezielt die humanitäre und soziale Rolle der Kunst integrieren wird. (Olga Kronsteiner, 20.3.2022)