Die 40-Stunden-Woche finden viele Beschäftigte nicht mehr zeitgemäß.

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Der Wunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung wird immer breiter in der Gesellschaft diskutiert. Während Teilzeitstellen per se nichts Ungewöhnliches sind, ist Führung als Vollzeitjob noch immer die Norm. Warum eigentlich?

Dass es auch anders geht, will die Bank 99 zeigen: Dort steht es allen Führungskräften und Mitarbeitenden frei, ihre Stunden zu reduzieren. Aktuell arbeiten etwa 55 der 340 Beschäftigten in Teilzeit. Darunter auch Chief Growth Officer Cathrin Wagner. Bereits im Bewerbungsgespräch habe sie angesprochen, dass sie als Mutter eines kleinen Sohnes nicht Vollzeit arbeiten möchte. Vonseiten des Unternehmens zeige man sich flexibel, wenn für die richtigen Kandidatinnen und Kandidaten nur Teilzeit infrage komme.

Zunächst sei Wagner im September in Vollzeit eingestiegen, "zur Einarbeitung und um das Team besser kennenzulernen". Anfang des Jahres habe sie dann ihre Stunden reduziert, ohne sich sofort auf ein Modell festzulegen. "Ich wollte vermeiden, faktisch weniger Wochenstunden zu haben, aber dann erst recht wieder Überstunden zu machen und abends vor dem Bildschirm zu sitzen", erklärt sie. Im Jänner habe sie deshalb einen Probelauf gestartet, um zu sehen, wie viele Stunden für sie und ihr Team funktionieren. Das Ergebnis: Nun arbeitet sie 34 statt 38,5 Stunden pro Woche.

Sie habe gemerkt, wie wichtig es ist, konsequent zu sein, sagt Cathrin Wagner.
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Weniger Wochenstunden

Aktuell würden überwiegend Frauen das Angebot nutzen. Die Entscheidung, die Wochenstunden zu reduzieren, sei aber immer individuell und müsse nicht begründet werden, betont Wagner. Mehr Zeit für die Familie sei bestimmt für viele ein Grund, aber nicht der einzige. Auch die eigene Work-Life-Balance werde vielen Beschäftigten immer wichtiger. Die Frage dahinter sei jedenfalls dieselbe: Wie viele Stunden ist man bereit, in die Arbeit zu investieren?

Eine generelle Reduktion der Arbeitszeit werde gerade im Unternehmen diskutiert – vor allem in Richtung Viertagewoche. "Von diesem Ansatz bin ich persönlich aber eher abgerückt", sagt Wagner. Zu wenig individuell und flexibel sei ihrer Meinung nach dieses Modell, um allen Tätigkeiten und Beschäftigten gerecht zu werden. "Ich bin aber überzeugt, dass wir alle in Zukunft weniger Stunden arbeiten werden", sagt die Teilzeitführungskraft.

Ein Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt, dass diese Einschätzung viele teilen. Die sogenannte Great Resignation treibt viele Beschäftigte aus ihren Jobs und signalisiert eine wachsende Unzufriedenheit mit vorherrschenden Arbeitsbedingungen. "Es gibt aktuell viel Kraft in die richtige Richtung aus der Gesellschaft. Wenn Unternehmen die besten Mitarbeitenden finden wollen, geht das nicht, ohne auf die Anforderungen der Beschäftigten einzugehen", sagt sie. Das lasse sich auch beim Thema Remote Work beobachten. Sobald das Infektionsgeschehen es zulasse, setze man bei der Bank 99 auf ein hybrides Modell aus Büro und Homeoffice.

Keine alten Strukturen

Während das Arbeiten in den eigenen vier Wänden durch die Pandemie fast schon selbstständig Einzug gehalten habe, sei es für die Umgestaltung der Arbeitszeit besonders wichtig, das ganze Team in dem Prozess mitzunehmen. "Am Ende zählt schließlich der Output, der gemeinsam erreicht werden soll", sagt Wagner. Ein Tipp für den Arbeitsalltag ist laut der Teilzeitführungskraft: Termine im Kalender blocken, um zu zeigen, wann man erreichbar ist und wann nicht. Drei Nachmittage die Woche seien fest für ihren Sohn reserviert. Sie habe außerdem gemerkt, wie wichtig es ist, konsequent zu sein: "Für mich selbst, aber auch als Vorbild für andere."

Ein Vorteil bei der Umsetzung sei außerdem das kurze Bestehen der Digitalbank: "Wir haben keine alten Strukturen, an denen wir rütteln müssen, sondern viel Gestaltungsspielraum, um Neues zu machen." Auch für Jobsharing sei man beispielsweise offen. Für eine erfolgreiche Doppelspitze müsse ihrer Einschätzung nach die Abstimmung zwischen beiden Führungspersonen einwandfrei funktionieren. (Anika Dang, 23.3.2022)