Effizienz ist ein Schlüsselbegriff des Wirtschaftens. Sie hat die früh industrialisierten Länder reich gemacht. Dass aus Ressourcen immer mehr "herausgeholt" wurde, ist ein Fundament dieses Reichtums. In ökologischer Hinsicht gilt die Effizienz vielen Fachleuten als Königsweg in die Nachhaltigkeit, nicht wenige fordern eine "Effizienzrevolution". Und politisch hat die Effizienz einen guten Klang, weil sie für alle mehr verspricht, ohne dass irgendjemand auf etwas verzichten müsste.

Dass Effizienz auch Grenzen haben könnte und nicht ohne Nebenwirkungen daherkommt, hörte man lange Zeit zumindest im ökonomischen Kontext sehr selten. Die Volkswirtschaftslehre versteht sich nach wie vor ganz wesentlich als Wissenschaft von der effizienten Verwendung knapper Mittel für gegebene Ziele. Und eine der Hauptmissionen der Betriebswirtschaftslehre ist es, Ineffizienzen aus der Welt zu schaffen. Menschen, die in Unternehmensberatungen wie McKinsey arbeiten, kann man deshalb mit dem deutschen Journalisten Dirk Kurbjuweit treffsicher als "Nischenkehrer, Umständlichkeitsglätter, Zufallsvernichter" bezeichnen.

Dass Effizienz nicht alles ist und ihre Überbetonung womöglich sogar gefährlich sein kann, spricht sich immer mehr herum.
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Schluss mit dem Geiz

Beratung heißt bis heute ganz wesentlich, Redundanzen zu identifizieren und auszumerzen. Man könnte sagen, dass die auf die Spitze getriebene Effizienzorientierung eine ökonomisch verbrämte Version des Geizes ist. Was aber dringend gebraucht wird, ist Großzügigkeit als Gegenbild zu diesem Geiz. Denn bis heute ist das Streben nach Effizienz völlig "normal", gesellschaftlich ebenso wie unternehmerisch. Dass aber Effizienz nicht alles ist und ihre Überbetonung womöglich sogar gefährlich sein kann, spricht sich immer mehr herum.

So wird in der Nachhaltigkeitsdebatte regelmäßig darauf hingewiesen, dass es sogenannte Rebound-Effekte gibt, durch die Effizienz in ihrer Wirksamkeit ausgebremst wird: Wenn durch ökologische Effizienzverbesserungen finanzielle Mittel eingespart werden und diese Mittel dann für Mehrverbrauch oder den Kauf anderer Güter verwendet werden, kann am Ende eine größere Umweltbelastung herauskommen. Hier ist ganz klar, dass Effizienz Grenzen hat – sie allein wird nicht ausreichen, um die Erderhitzung und andere Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen. Um die Klimakrise zu bewältigen, braucht es Effizienz – aber auch andere Strategien wie die Kreislaufwirtschaft und ein Hinterfragen von Konsumstilen.

Resilienz statt Effizienz?

Seit einiger Zeit werden die Grenzen der Effizienz aber auch jenseits ökologischer Themen immer offensichtlicher. Sogar in der nicht eben revolutionär veranlagten Harvard Business Review wurde im Zeichen der Corona-Krise auf bestehende Lieferkettenrisiken hingewiesen und bereits vor der Krise wurden die "Grenzen der Effizienz" thematisiert. Die Abschaffung von Verschwendung sei "der Heilige Gral der Betriebswirtschaftslehre", und übertriebene Effizienz sei problematisch und potenziell gefährlich, nicht zuletzt mit Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen unternehmerischen Tuns.

Insbesondere die Folgen der Pandemie haben dazu geführt, dass diese Fragwürdigkeit von Effizienz immer intensiver diskutiert wird. Denn: Plötzlich wurde ein anderer Begriff en vogue, der auf Feldern wie Materialwissenschaft, Psychologie und Ökologie schon seit längerem thematisiert wird: Resilienz – die Fähigkeit, Krisen gut zu überstehen und auch nach Rückschlägen oder Katastrophen weitermachen zu können. Resilienz hat heute einen guten Klang – von Gesundheit über Handel bis hin zum Militär gibt es kaum einen Bereich, in dem Resilienz nicht mit wachsender Aufmerksamkeit thematisiert wird. Das ist gut. Aus ökonomischer Sicht nicht so gut ist womöglich der Umstand, dass man nicht beides haben kann: Resilienz und Effizienz.

Im Kontext von (internationalen) Lieferketten zeigt sich dies besonders deutlich: Höhere Lagerbestände sind neben der Diversifikation von Zulieferern das Mittel der Wahl, um die Produktion resilient zu organisieren – je voller die Lager sind, desto länger kann man bei Unterbrechungen der Lieferkette weiterarbeiten. Das ist mit Just-in-Time-Produktionsprozessen kaum kompatibel und natürlich ein (womöglich erheblicher) Kostenfaktor. Folglich gilt es, das richtige Maß zu finden mit Blick auf die Kosten, den Zeitaufwand und die Risiken, die durch lieferkettenbedingte Produktionsausfälle entstehen würden. Resilienz ist also ineffizient und kostenträchtig.

Vielfalt wird wichtiger

Wie wichtig es ist, in Wertschöpfungsketten nicht nur von einem Standort abhängig zu sein, und wie ratsam es ist, bei Lieferschwierigkeiten über Lagerbestände und gangbare Alternativen zu verfügen, haben die jüngsten Krisen eindringlich gezeigt. Redundanz ist also nicht abzuschaffen, sondern maßvoll zu organisieren. Und: Der Resilienzfaktor Vielfalt muss im 21. Jahrhundert einen viel höheren Stellenwert bekommen als bisher. Monokulturen mögen effizient sein – sie sind aber auch sehr fragil. Das gilt bekanntlich in ökologischer Hinsicht – und, wie man seit langem weiß, auch für die Zusammensetzung von Teams. Und welches Risiko nichtdiversifizierte Lieferketten gesamtwirtschaftlich bedeuten, kann man aktuell an der Abhängigkeit Europas von fossilen Energien aus Russland sehen.

Eine wichtige – gesellschaftliche und unternehmerische – Zukunftsaufgabe liegt darin, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Resilienz auf der einen und Effizienz auf der anderen Seite. Unternehmen und andere Organisationen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen, können nicht blind auf Effizienz setzen. Der nach wie vor dominante Fokus auf dieses Leitbild ist eine Verengung des Denkens, die weder im Management noch in der Politik langfristig besonders produktiv ist. Effizienz bleibt wichtig, aber sowohl in der wirtschaftlichen Theorie als auch in der Praxis wird immer deutlicher, dass sie Grenzen hat. In Zukunft wird es wesentlich darauf ankommen, großzügiger als bisher mit Ressourcen umzugehen und nicht sinnvolle Effizienz mit blindem Geiz zu verwechseln. In Zeiten von Klimaerhitzung, Corona und Krieg gilt das ganz besonders. (Fred Luks, 24.3.2022)