Selten konnte der Nutzen von wissenschaftlicher Expertise so rasch bewiesen werden wie durch die Pandemie: Die Impfstoffe wurden von Spin-offs von Universitäten wie Biontech entwickelt und nicht von den großen Pharmakonzernen. Start-ups sind wendiger und schneller in der Umsetzung als Großkonzerne mit all ihren Regeln und bürokratischem Beiwerk.

Die Diskussion um die "Third Mission", also die Aufgabe, den Impact der Hochschulen auf die Gesellschaft darzustellen, wird neben den traditionellen Aufgaben der Hochschulen – Forschung und Lehre – immer wichtiger. Akademische Gründungen sind eine Möglichkeit, diesen Impact sichtbar zu machen.

In Österreich wird diese Diskussion oft auf die naturwissenschaftlichen Studien beschränkt. Die wichtige Rolle, die die Kultur- und Geisteswissenschaften dabei leisten könnten, beweist das britische Institut The Royal College of Art, das auf Kunst und Design fokussiert ist und unter den zehn führenden Spin-off-Universitäten des Vereinigten Königreichs aufscheint. Akademische Gründungen könnten einen breiteren Ansatz bieten, um gesellschaftlichen Impact und soziale Innovation zu fördern.

Dennoch setzt sich das Thema an den Hochschulen nur schwer durch. Wenn man die Zahlen von Spin-off Austria heranzieht, wurden an allen Hochschulen Österreichs von 2018 bis 2021 144 Spin-offs gegründet. Ein kurzer Blick nach Deutschland: Die Fraunhofer-Gesellschaft hat 2021 30 Spin-offs in die Gründung begleitet. Seit dem Jahr 2000 waren es in Summe mehr als 500.

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Akademische Gründungen könnten einen breiteren Ansatz bieten, um gesellschaftlichen Impact und soziale Innovation zu fördern.
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100 Prozent mehr

Die Politik hat das Thema erkannt und eine Fülle von Aktivitäten zur Steigerung der akademischen Gründungen gestartet. Im aktuellen Regierungsprogramm 2020 bis 2024 wurde die Einführung von Kennzahlen für akademische Gründungen festgeschrieben. Diese sollten sich in den aktuellen Leistungsvereinbarungen der Jahre 2022 bis 2024 der Universitäten mit dem Bildungsministerium wiederfinden. In der Forschungs- und Innovationsstrategie wurden ein Zielwert von 100 Prozent mehr akademischen Spin-offs festgeschrieben.

Auf Initiative des Autors dieses Artikels wurde 2019 die Ludwig Boltzmann Innovator’s Road als Programm für akademische Gründer erschaffen. Dieses Programm wurde bis dato zweimal durchgeführt. Die Teilnehmer kamen aus zwölf österreichischen Universitäten, dem IST Austria und dem Austrian Institute of Technology (AIT). Inhaltlich lag der der Schwerpunkt der Gründungsideen bisher im Bereich Deep Tech und Life-Sciences. Das Programm wird von New Venture Scouting und dem IECT Hermann Hauser umgesetzt.

Das Lernen von den anderen Kandidaten, die sich in derselben Situation der Gründung befinden, und die Interaktion in der Gruppe sind ein wichtiger Teil der Methodik. Auch das Lernen von Alumni, also Peers, die einen früheren Durchgang des Programms besucht haben, ist zentral. Rollenvorbilder, die greifbar sind, werden eher angenommen als abgehobene Elon Musks.

Diversität fördern

Innovationen sind in der Regel sehr kapitalintensiv. Somit geht es darum, ein Grundverständnis für den laufenden Finanzierungsbedarf zu entwickeln, um das eigene Geschäftsmodell festzulegen. Und dazu sollte man auch das Geld auftreiben: Investorengespräche in dieser frühen Phase sind sehr sensibel. Die Gründer benötigen einen sicheren Raum, wo es ersten Austausch gibt und viel Coaching und Begleitung für Investorengespräche. Es gibt in Österreich wenige Investoren, die sich auf akademische Gründungen fokussieren.

Um akademische Gründer erfolgreicher zu machen, haben die Hochschulen noch einige Hausaufgaben zu bewältigen:

  • Bei Fragen des Umgangs mit geistigem Eigentum (IPRs) und der Beteiligung an akademischen Gründungen wären gemeinsame Bandbreiten wünschenswert, in denen sich die Verantwortlichen bewegen können und die auch von den Ministerien und dem Rechnungshof mitgetragen werden. Sie würden den Gründern sowie den Entscheidungsträgern vor Ort das Leben massiv erleichtern. Zudem könnten universitätsübergreifende Kooperationen die Diversität der Gründer erhöhen und damit auch die Attraktivität solcher Initiativen. Dabei sollte man nicht an den Grenzen Österreichs haltmachen. Derzeit werden durch die europäische Forschungspolitik europäische Universitätskooperationen gefördert. Die Universität Innsbruck ist zum Beispiel im europäischen Netzwerk Aurora zum Thema "Sozial Innovation and Entrepreneurship" vertreten. Warum sollten in Zukunft nicht Gründer aus unterschiedlichen europäischen Hochschulen zusammenarbeiten?
  • Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erhöhung des Anteils an weiblichen Gründern. Am österreichischen Start-up-Standort ist dieses Thema sehr zentral. Initiativen wie die Female Founders und das Innovatorinnenprogramm der FFG unterstreichen dies. Zudem könnten gezielte Suche von weiblichen Co-Gründern in der Wirtschaft dabei helfen, die chronische Unterrepräsentanz bei Technologie-Start-ups zumindest bei der Gründung zu reduzieren.

Rahmenbedingungen verbessern

Akademische Gründungen müssen stark von oben getrieben werden. Jene Universitäten, an denen sich die Rektoren selbst des Themas annehmen, wie die Universität Innsbruck oder die TU Graz, sind am erfolgreichsten. Neben dem Rektor sind auch die Vizerektoren für Forschung spielentscheidend. Nur dort, wo akademische Gründungen integraler Bestandteil einer innovativen Forschungspolitik sind und der Transfer von Wissen in Form von Ausgründungen als eine Erfolgsgeschichte gesehen wird, erhöht sich die Zahl akademischer Gründungen. Vielfach besteht noch immer Angst, durch akademisch Gründungen Forscher zu verlieren. Die Zahlen belegen, dass der Großteil der Gründungen von Absolventen umgesetzt wird. Zudem sind viele erfolgreiche Forscher auch unternehmerisch tätig. Außerdem könnten Ausgründungen auch eine Möglichkeit für Postdocs sein, die durch Paragraf 109 die Universität verlassen müssen.

Die meisten österreichischen Universitäten haben in den letzten Jahren Aktivitäten zu Entrepreneurship aufgebaut und auch Inkubatoren eingeführt. Auch die über Österreich verteilten Transferzentren verfügen über viel Know-how und Expertise. Dennoch hat man als Akteur, der mit vielen Universitäten arbeitet, den Eindruck, dass wenig zusammengearbeitet wird. Akteure zu vernetzen und das Wissen zu teilen, vor allem aber auch ein Ökosystem aufzubauen, in dem nicht von jeder Hochschule die Welt neu erfunden wird, wäre notwendig.

Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, ist die Kombination von Innovation und unternehmerischem Handeln nötig. Akademische Gründer verfügen über beides und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Zukunftsfragen. Wir sollten die Rahmenbedingen für sie massiv verbessern. (Werner Wutscher, 25.3.2022)