Viel passiert nicht zwischen Ragnar Kjartanssons Bühnenprospekten.

Foto: Ostermann/Volkstheater

Der Höhepunkt dieses Abends ist ein herabfallender brennender Balken. In einer musikalischen Pause kracht er lautstark zu Boden – bevor die Streicher der Wiener Symphoniker die Komposition des isländischen Musikers Kjartan Sveinsson (bekannt als Mitglied der Postrock-Gruppe Sigur Rós) wieder aufnehmen.

Neben dem herabstürzenden Gebälk schlagen in den 50 Minuten ein paar Blitze ein, Schnee fällt, Wellen wogen, und immer wieder verändern sich die Lichtstimmungen. Mehr passiert nicht. Der Klang der Offenbarung des Göttlichen ist der Titel, den Ragnar Kjartansson 2014 seinem Arrangement von vier musikalischen tableaux vivants an der Berliner Volksbühne gegeben hat.

Als Kontrastprogramm zu Frank Castorfs Theaterattacken fertigte der isländische Biennale-Künstler damals eine Reihe von Naturprospekten, die direttissima aus dem Theaterfundus des 19. Jahrhunderts zu kommen schienen. Die Kritik jubelte ob dieses gänzlich unironischen Abends auf den Spuren isländischer Naturromantik. Jetzt hat ihn das Wiener Volkstheater wieder aufgenommen und gemeinsam mit den Wiener Symphonikern und dem Chorus sine nomine neu einstudiert.

Der Dichter und die Schönheit seiner Dichtung stehen auch jetzt im Mittelpunkt von Kjartanssons an eine Laterna magica erinnernden Theaterabend bzw. seiner Chorzeilen. Der isländische, aus einer Theaterfamilie stammende Künstler ist für seine mit Dauerschleifen arbeitenden Aktionen bekannt. Auch in Wien sind Wiederholungen grundlegendes Stilmittel. Nicht um die eingangs erwähnten "Höhepunkte" geht es, sondern um die Repetition.

Das Theater wird in guter postdramatischer Tradition vom Drama gelöst, die Aufführung wird zur Zeremonie. Dabei haben die romantisierenden, sich wiederholenden Orchesterklänge keinen kleinen Anteil. Der dem Abend zugrunde liegende Roman Weltlicht von Halldór Laxness dient dagegen nur als Motivgeber.

Als kontemplatives Schäferstündchen mit hübscher musikalischer Untermalung funktioniert das Ganze denn ganz gut. Als Auseinandersetzung mit dem Konzept von Schönheit – oder wie der Titel suggeriert: des Göttlichen – bleibt der Abend aber in seiner eigenen Raunerei stecken. (Stephan Hilpold, 18.3.2022)