Boiko Borissow hat rechtlichen Ärger.

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Sofia/Luxemburg – Einen Tag nach der Festnahme des früheren bulgarischen Ministerpräsidenten Boiko Borissow bringt die Justiz seine Inhaftierung nicht mehr mit einem Missbrauch von EU-Geldern in Zusammenhang. Die Staatsanwaltschaft von Sofia teilte am Freitag mit, die vorgerichtliche Ermittlung laufe wegen des Verdachts auf Erpressung und schließe die Zuständigkeit der EU-Staatsanwaltschaft aus.

Dies steht im Widerspruch zu einer ursprünglichen Information des Innenministeriums, die inzwischen von der Webseite entfernt wurde.

Der frühere Regierungschef und der Vorsitzende der größten Oppositionspartei GERB war am Donnerstagabend für 24 Stunden festgenommen worden. Konkrete Vorwürfe gab es nicht. Ob er freigelassen wird oder weiter in Haft bleiben muss, soll am Freitagabend klar werden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Im Fall Borissow wurde am Donnerstag Regierungschef Kiril Petkow vernommen, wie er am Freitag mitteilte. "Niemand steht über dem Gesetz", schrieb Petkow dazu auf Facebook. Seine Anti-Korruptionspartei PP regiert seit Dezember 2021 mit einem Vier-Parteien-Kabinett.

Weitere Festnahmen

Finanzminister Assen Wassilew führte Borissows Festnahme auf einen Hinweis eines im Exil in Dubai lebenden bulgarischen Glücksspielmagnaten zurück, gegen den in Bulgarien 18 Anklagen erhoben worden sind. Dieser wirft Borissow und dem ebenso am Donnerstagabend festgenommenen früheren Finanzminister Wladislaw Goranow Erpressung vor. Inhaftiert wurde auch Borissows frühere Medienberaterin Sewdalina Arnaudowa, nicht aber die Chefin des parlamentarischen Haushaltsausschusses, Menda Stojanowa, wie es ursprünglich hieß.

Lange Amtszeit

Borissow war mit kurzer Unterbrechung von 2009 bis 2021 Ministerpräsident Bulgariens gewesen. Seine Amtszeit war von Korruptionsvorwürfen überschattet. Borissows bürgerliche GERB-Partei gehört im EU-Parlament zur Europäischen Volkspartei (EVP) – ebenso wie die ÖVP in Österreich oder CDU und CSU aus Deutschland.

Anhänger von Borissows Partei sowie die Parlamentsfraktion verlangten bei Protesten am Regierungssitz und vor dem Parlament seine Freilassung. Sie forderten Neuwahlen.

EU-Generalstaatsanwältin Laura Kövesi hatte während eines Besuchs in Sofia am Mittwoch und Donnerstag gesagt, es gebe Hinweise auf über 120 Fälle von Missbrauch mit EU-Geldern in Bulgarien. (APA, 18.3.2022)