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Im Irak der Neunzigerjahre litten die Menschen unter hohen Lebensmittelpreisen.
Foto: JASSIM MOHAMMED / AP / picturede

Weil sie gar zu regen Handel mit den Spartanern trieben, verhängte das antike Athen im Jahr 432 vor Christi Geburt Strafmaßnahmen gegen die Kaufleute der Hafenstadt Megara. Die Sanktionen – sie gelten als älteste bekannte – sollten den Athenern helfen, sich im bereits seit Jahrzehnten andauernden Konflikt um die Vorherrschaft gegen die Spartaner durchzusetzen – leider erfolglos.

Was schon in der Antike zumindest Erfolg versprach, das findet seit einigen Jahrzehnten wieder verstärkt Anwendung: Vor allem seit dem Ende des Kalten Krieges gilt Sanktionspolitik als probates Mittel, Konflikte ohne oder mit reduzierten militärischen Mitteln zu den eigenen Gunsten zu entscheiden. So haben die USA allein gegen den Iran rund 2000 unterschiedliche Sanktionen verhängt. Auf staatsübergreifender Ebene sind Strafmaßnahmen etwa der Uno oder der EU längst fester Bestandteil eines globalen Sicherheitskonzepts.

Ob Südafrika, Simbabwe, Irak, Nordkorea, Libyen, Iran, Belarus oder jetzt Russland: Im besten Fall können Wirtschaftssanktionen einen Beitrag zu einem Politikwandel leisten oder gar Kriege verhindern. Im schlechtesten Fall bewirken sie das Gegenteil des Beabsichtigten, wie im Irak 2003.

Folgen und Kosten sind dabei stets schwer kalkulierbar, genauso wie der konkrete Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Dass Libyens Machthaber Muammar Gaddafi die Attentäter des Lockerbie-Anschlags von 1988 letztlich 1999 auslieferte, gilt als direkte Folge der Uno-Sanktionen.

Eine Konstante gibt es jedenfalls: Sanktionen treffen fast nie nur die Verantwortlichen, sondern immer auch die Zivilbevölkerung.


Gegen die Apartheid: Maßnahmen gegen Südafrika gelten als Vorzeigebeispiel

Als Beispiel für erfolgreiche Sanktionspolitik werden oft die Maßnahmen gegen das Apartheidregime in Südafrika genannt. 1986, rund 40 Jahre nach Beginn der Apartheid, verhängten die wichtigsten Wirtschaftspartner Südafrikas, die USA, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Japan, gemeinsame Sanktionen. Im Februar 1990 hielt der damalige Präsident Südafrikas, Frederik Willem de Klerk, seine berühmte Rede, in der er eine politische Neuausrichtung im Umgang mit der schwarzen Bevölkerungsmehrheit verkündete. Noch im selben Monat wurde Nelson Mandela nach 27 Jahren aus der Haft entlassen.

Frederik Willem de Klerk und Nelson Mandela im Frühjahr 1990.
Foto: imago images/Gallo Images

Umstritten ist bis heute, ob nicht eher die innenpolitische Stärkung der Widerstandsorganisation ANC und der allgemeine gesellschaftliche Sinneswandel den Ausschlag für das Ende der gesetzlich legitimierten Rassentrennung gab als der externe Druck. Auch war für die weiße Oberschicht die Aufrechterhaltung der internen Repressionen schlicht zu teuer geworden. Die Apartheid-Bürokratie führte fast zum Staatsbankrott, die Sanktionen taten wohl jedenfalls ein Übriges.

Aktivisten und Aktivistinnen aus der Anti-Apartheid-Bewegung gaben allerdings später an, dass die internationalen Sanktionen in ihren Reihen auch als solidarischer Akt verstanden wurden und somit jedenfalls die Motivation stärkten. Die Sanktionen trugen also auch zur Legitimierung der Anti-Apartheid-Bewegung bei.

Die Diskussionen vor dem Sanktionsbeschluss gegen den attraktiven Markt in Südafrika sind jedenfalls ein gutes Beispiel dafür, dass die Sanktionsziele immer auch von den eigenen wirtschaftlichen Verflechtungen und Interessen geprägt sind. Einig waren sich die USA und Europa nur in der Sanktionierung des Imports von Stahl, Eisen und Textilien. Viele andere Bereiche waren ausgenommen, um der eigenen Wirtschaft nicht zu schaden.


Saddam Hussein in der Box: In den 1990ern verelendete die irakische Bevölkerung

In der Härte noch nie dagewesene Sanktionen wurden nach dem irakischen Überfall auf Kuwait 1990 und dem Golfkrieg 1991 verhängt: Sie sollten Saddam Hussein dazu zwingen, seine Massenvernichtungswaffen und -programme aufzugeben. Der Zweck, den Irak dauerhaft zu entwaffnen, wurde erreicht: Das Regime machte zwar durch Kickbacks bei aus humanitären Gründen ab 1996 erlaubten Ölgeschäften ("Oil for food") illegales Geld, musste dies aber dazu einsetzen, seine Günstlinge bei der Stange zu halten. Das Verteilungsmonopol der brutalen Diktatur wurde durch die Sanktionen aber gestärkt – und politisch eingesetzt. Eine Verelendung der Bevölkerung, die Auslöschung des Mittelstands, war eine Folge der Sanktionen. Ein Aufstand im Südirak gleich nach dem Krieg 1991, der zuerst von den USA ermutigt worden war, wurde im Stich gelassen – man fürchtete zu viel iranischen Einfluss. Das führte dazu, dass viele Iraker nach dem Sturz von Saddam 2003 dem Westen gegenüber prinzipiell feindlich eingestellt waren.

Gegen Ende der 1990er-Jahre begannen die internationalen Sanktionen zu bröckeln, auch weil klar wurde, dass die Waffeninspektionen durch Uno und IAEA ihr Ziel weitgehend erreicht hatten, auch wenn einzelne Fragen offenblieben. Die Korrosion der Sanktionen – und die Gefahr, dass das Ölgeschäft ohne US-Betei ligung wieder anläuft – trug zur US-Entscheidung bei, 2003 einzumarschieren und Saddam zu stürzen. Der russische Uno-Botschafter in New York – und damit direkter Widerpart der US-Politik – hieß damals übrigens Sergej Lawrow.


Revolution und Strafe: Sanktionen gegen den Iran gibt es seit dem Jahr 1979

Eine Gruppe iranischer Schüler posiert vor einem Anti-US-Wandgemälde in Teheran.
Foto: imago images/NurPhoto

Nur die Älteren im Iran können sich an eine sanktionslose Zeit vor der Revolution erinnern: Nachdem Anfang November 1979 eine Gruppe von Studenten die US-Botschaft in Teheran besetzt hatte, verhängte Washington die ersten Strafmaßnahmen. Es folgten größere Sanktionsrunden 1987 und 1996 – gefolgt von den im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm durch den Uno-Sicherheitsrat verhängten Maßnahmen ab 2006. Diese spezifischen Sanktionen wurden nach dem Abschluss des Atomdeals 2015 aufgehoben, von US-Seite jedoch wieder eingeführt, als Donald Trump 2018 aus dem Atomdeal austrat. Dazu verhängte er noch andere, die mit der Nuklearfrage nichts zu tun hatten.

Die Folge ist ein wahres Sanktionsdickicht, auf das sich das Regime ganz gut eingestellt hat – was nicht heißt, dass die iranische Wirtschaft und die Bevölkerung nicht darunter leiden. Vor allem die US-Sanktionen gegen Dritte, die sogenannten Sekundärsanktionen, erweisen sich als fatal, denn Staaten und Unternehmen scheuen aus Angst vor US-Strafen vor Geschäften mit dem Iran zurück. Die Sanktionen wieder loszuwerden ist iranisches Ziel der Wiener Atomverhandlungen, wofür Teheran zu den Regeln des Atomdeals zurückkehren müsste. Die Entflechtung der von Trump verhängten Sanktionen – welche sind "nuklear", welche nicht – ist gar nicht so leicht. Ein besonderer Dorn im Auge sind dem Iran die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden (IRGC), die ihre Finger in vielen Geschäften haben. Atomdeal-Gegner kritisieren, dass Teheran durch die Aufhebung der Sanktionen wieder genügend Geld für seine aggressive regionale Einflusspolitik bekäme.

Ein spezielles Problem verfolgt den Iran seit 1979: Nach der Revolution brachen westliche Staaten Geschäfte mit der neuen Islamischen Republik ab, für die bereits iranisches Geld geflossen war. So bekam Teheran soeben umgerechnet 500 Millionen Euro von London zurück, die das Schah-Regime für Waffen bezahlt hatte, die jedoch nie geliefert wurden. Die Zahlung war eine Bedingung dafür, dass der Iran zwei britisch-iranische Gefangene freiließ. (Manuela Honsig-Erlenburg, Gudrun Harrer, 20.3.2022)