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Als Biden (li.) und Xi zum letzten Mal sprachen, war die Welt noch eine andere: Am 15. November 2021 war das.

Foto: AP Photo/Susan Walsh, File

Schon das Zustandekommen des Videotelefonats war bemerkenswert. Seit drei Wochen weigert sich die chinesische Regierung, den russischen Überfall auf die Ukraine zu verurteilen. Die Freundschaft zwischen Peking und Moskau kenne "keine Grenzen", hatten die Staatschefs beider Länder während der Olympischen Spiele im Februar erklärt – ganz anders als die Beziehungen zwischen China und den USA, die als angespannt gelten. Insofern werteten amerikanische Beobachter bereits den direkten Kontakt zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping als kleinen Erfolg.

Es war 9.03 Uhr am amerikanischen Freitagmorgen und zwölf Stunden später in Peking, als die Leitung stand. "Präsident Biden ist ein Freund des diplomatischen Austauschs von Angesicht zu Angesicht", hatte dessen Sprecherin Jen Psaki zuvor erklärt. Das letzte Gespräch der beiden wohl mächtigsten Männer der Welt liegt vier Monate zurück. "Es gibt eine Menge zu bereden", sagte Psaki.

Die Unterredung dauerte 110 Minuten. Anschließend brauchte die Biden-Regierung brauchte allerdings vier Stunden, bis sie sich mit einer eher dürren Pressemitteilung zu Wort meldete, in der im Wesentlichen bestätigt wurde, dass die beiden Staatschefs über die Lage in der Ukraine und in Taiwan gesprochen hätten. Auch im Hintergrund zeigte sich ein hochrangiger US-Regierungsvertreter nicht viel gesprächiger: "Direkt, substantiell und detailliert" sei die Unterredung gewesen. Biden soll die Gelegenheit genutzt haben, die westliche Position zum russischen Überfall auf die Ukraine darzulegen. "Außerdem hat er klar gemacht, welche Auswirkungen und Konsequenzen es hätte, wenn China Russland unterstützen würde", hieß es.

Und die Reaktion von Xi? "Diese Frage müssen sie Peking stellen", hieß es im Umfeld des Weißen Hauses. Tatsächlich hatte sich Präsident Xi da nach einem Bericht des staatlichen chinesischen Fernsehsenders CCTV schon zu Wort gemeldet und allgemein zum Einsatz für den Frieden aufgefordert: "Die Krise in der Ukraine ist etwas, das wir nicht sehen wollen." Eine klare Distanzierung von dem Kriegsverbrecher Wladimir Putin hört sich anders an.

Wachsende Sorge

In Washington beobachtet man die Verbindungen der Pekinger Regierung zum Aggressor Russland mit wachsender Unruhe. "Wir machen uns Sorgen, dass sie erwägt, Russland direkt mit militärischer Ausrüstung für den Einsatz in der Ukraine zu unterstützen", sagte Außenminister Antony Blinken am Donnerstag. In bislang ungekannter Klarheit drohte er für diesen Fall mit Konsequenzen. "Wir werden nicht zögern, (China) die Kosten aufzuerlegen".

Offiziell nimmt Peking in dem blutigen Konflikt eine neutrale Haltung ein. Es hat sich bei der Verurteilung Russlands durch den Weltsicherheitsrat enthalten. Doch: "Alleine die Tatsache, dass China das russische Handeln nicht verurteilt hat, spricht für sich", hatte Psaki vor dem Gespräch der beiden Staatschefs gesagt. In Washington hieß es, China stehe an einer außenpolitischen Weggabelung und müsse sich entscheiden, ob es sich tatsächlich auf die Seite Russlands gegen den Westen schlagen oder seine engen ökonomischen Beziehungen mit Europa priorisieren wolle.

Tatsächlich hat sich Peking nach US-Informationen nämlich deutlich mehr mit Moskau verbündet, als es das zugibt. So soll der russische Diktator Wladimir Putin den Ukraine-Angriff auf Bitten der Chinesen auf die Zeit nach den Olympischen Winterspielen terminiert haben. Zudem sollen US-Geheimdienste die chinesische Regierung vor dem Überfall mit Informationen versorgt haben. Ihre Bitte, mäßigend auf Putin einzuwirken, sei jedoch abgewiesen worden.

Gerüchte über Essenslieferungen

Angesichts des stockenden Vormarsches in der Ukraine hat Russland nach amerikanischen Medienberichten China nun um Hilfe bei Waffen und Ausrüstung gebeten. Dabei soll es um Boden-Luft-Raketen, Drohnen und gepanzerte Fahrzeuge gehen. Laut Pentagon wurden von Moskau sogar haltbare Essensrationen für die russischen Soldaten erbeten. Auch befürchtet man in Washington, dass Peking den Russen helfen könnte, die gegen sie verhängten harten Sanktionen des Westens zu umgehen.

Das Telefonat von Biden und Xi sollte auch dazu dienen, herauszufinden, wo Präsident Xi steht. "Die nächsten Wochen werden zeigen, welche Entscheidung China fällt", hieß es hinterher. Sollte Peking das Hilfsbegehren aus Moskau ablehnen, wäre das ein wichtiger Schritt im westlichen Bemühen zur Isolierung Russlands. Doch die Beziehungen zwischen den USA und China sind angespannt, weil Biden die von seinem Vorgänger Donald Trump verhängten Wirtschaftssanktionen nicht zurückgenommen und wiederholt Menschenrechtsverletzungen gegen ethnische Minderheiten und die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong angeprangert hat.

Wie unterschiedlich die Sichtweisen sind, war schon bei einer Begegnung des amerikanischen Sicherheitsberaters Jake Sullivan mit dem chinesischen Politbüro-Mitglied Yang Jiechi am Montag in Rom deutlich geworden. Nach dem siebenstündigen Gespräch gaben beide Seiten unterschiedliche Erklärungen ab. Während ein amerikanischer Regierungsbeamter erklärte, es sei ausgiebig über die Situation in der Ukraine gesprochen worden, betonte man in Peking die Besorgnis über eine angebliche Einmischung Washingtons in der Taiwan-Frage. (Karl Doemens aus Washington, 18.3.2022)