Manchmal geht es schnell. Im Vorjahr hat das Moskauer Tochterinstitut der Raiffeisen Bank International (RBI) noch 474 Millionen Euro Gewinn gemacht, zusammen mit den Banken in der Ukraine und Weißrussland waren es rund 600 Millionen Euro. Damit steuerten die drei Institute fast die Hälfte zum gesamten Jahresergebnis der RBI bei, die insgesamt in 13 Märkten von Zentral- und Osteuropa tätig ist. Klassische Cashcows also.

Und jetzt das: der Krieg in der Ukraine. Wladimir Putins Überfall auf den Nachbarstaat hat die Verantwortlichen der RBI unter Vorstandschef Johann Strobl in arge Bedrängnis, in Zugzwang gebracht. Noch Anfang März hatte Strobl einen Abschied aus Russland ausgeschlossen, die strengen Sanktionen und die internationale Ächtung des russischen Überfalls haben ihn und seine Kollegen umdenken lassen. Am Donnerstag gab der Bankchef bekannt, "alle Optionen" für Russland zu prüfen, auch einen Exit.

Ein Leben ohne Russland

Dass die RBI, die auch die Aufgaben des Spitzeninstituts des Raiffeisen-Bankensektors überhat, auch ohne Russland existieren kann, ist unbestritten. Allerdings müsste sie andere ihrer Standbeine in den anderen Märkten trainieren, immerhin gingen bei einem Abschied aus Moskau rund 40 Prozent des Gewinns und 15,8 Milliarden von insgesamt 192 Milliarden Bilanzsumme flöten.

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Die Zukunft der Moskauer Tochter der Raiffeisen Bank International bereitet der Großbank ernsthafte Sorgen.
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Dass man deswegen ein neues Geschäftsmodell austüfteln müsste, wie es im Sektor und in Aufsichtskreisen kolportiert wird, dementiert eine Sprecherin der Bank. Das Geschäftsmodell sei diversifiziert, und die Tochterbanken seien eigenfinanziert, gut kapitalisiert und hätten nur unbedeutende Risikopositionen in Russland. Soll heißen: Ein Abschied von der Moskau-Tochter, in der Mutter RBI nur 2,4 Milliarden Euro Eigenkapital stecken hat, ließe sich verdauen.

Landesbanken betroffen

Zudem verweist eine RBI-Sprecherin auf die Ertragskraft des Firmenkunden- und Kapitalmarktgeschäfts, das die Bank von Wien aus steuere und das von der Krise in Russland nicht beeinträchtig sei. Sehr wohl beeinträchtig wären freilich die Hauptaktionäre der börsennotierten RBI, die Raiffeisen-Landesbanken. Sie halten 59 Prozent der Anteile und beziehen Dividenden von der RBI, die ohne Russland wohl geringer ausfallen würden.

Doch wie kann man sich überhaupt aus einer Bank oder mit einer Bank aus Russland zurückziehen? Das ist die große Frage, die derzeit alle in Russland tätigen Institute umtreibt. Dazu zählen auch Bank-Austria-Mutter Unicredit, Société Générale und die US-Bank Citigroup. Sie alle haben in den vergangenen Jahren gutes Geld in Putins Russland verdient, alle gemeinsam haben zuletzt ein Exposure von rund 52 Milliarden Euro dort gemeldet. Rund 23 Milliarden davon entfallen auf Raiffeisen.

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Verkauf des Instituts, Abwicklung oder Übergabe an den Staat, solche Szenarien halten Experten für denkbar.
Reuters/Maxim Shemetov

Drei Möglichkeiten eines Abschiednehmens sehen die Experten: Verkauf des Instituts, Abwicklung oder Übergabe an den Staat. Alle drei Varianten haben ihre Tücken, erst recht in Zeiten von Sanktionen. Kaufinteressenten sind in Zeiten des Kriegs schwer zu finden – und wenn, dann hielte sich der Kauferlös wohl sehr in Grenzen. Für Raiffeisen Moskau sollen sich zwar die Eigentümer der russischen Alfa Bank erwärmen können – sie stehen aber selbst auf der Sanktionenliste.

Bei einer geordneten Liquidation würden die Banker einzelne Geschäftsfelder wie beispielsweise Kredit-Portfolios versilbern und kein Neugeschäft mehr eingehen – ein Prozedere, das in aller Regel Jahre dauert. Und wie es bei einer Verstaatlichung liefe, an der die russische Zentralbank Interesse haben könnte, steht derzeit überhaupt in den Sternen. Egal, was man macht, "eine triviale Angelegenheit ist keine dieser Lösungen", kommentiert es ein Experte.

Die RBI war eine der ersten Banken, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Russland gingen, und die einzige, wie man in der RBI gern erzählt, die auch zur Zeit der großen Rubelkrise 1998 blieb. Das hätten die Russen Raiffeisen immer hoch angerechnet. Ob diese Wertschätzung den Ukraine-Krieg überdauert, ist freilich ungewiss. (Renate Graber, 20.3.2022)