Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), als er die Wiedereinführung der Maskenpflicht verkündete. Er sagte auch, er nehme die Maske nur ungern ab.

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Erst am Freitag wurde dem Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) klar, dass die Corona-Lage angespannt ist. So sagte er es zumindest, als er die Wiedereinführung der Indoor-Maskenpflicht verkündete. Kam das tatsächlich so überraschend? DER STANDARD hat nach Hinweisen gesucht, die auch der Gesundheitsminister sehen können hätte. Eine Chronologie.

15. Februar 2022: Im aktuellen Gecko-Report gehen die Expertinnen und Experten davon aus, dass "nach Überschreiten des Peaks und einer klaren Abflachung der Dynamik" Lockerungen vertretbar seien. Ebenfalls an dem Tag errechnet das Corona-Prognose-Konsortium die Lage. Sie stellt nicht fest, dass die Zahlen gravierend sinken würden, sondern geht von einer "vorübergehenden Plateau-Phase aus".

16. Februar 2022: Der Gesundheitsminister, der zu dem Zeitpunkt noch Wolfgang Mückstein (Grüne) heißt und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kündigen umfassende Lockerungen an. Mückstein spricht von einem "Frühlingserwachen", Nehammer sagt, man hole sich "Stück für Stück" die Freiheit zurück, "die uns das Virus genommen hat". Mückstein sagt außerdem, man halte "selbstverständlich" an der Impfpflicht fest.

18. Februar 2022: Die Gecko-Kommission schreibt in einem neuerlichen Bericht, die Maskenpflicht sei ein wirksames und gelindes Mittel – das Tragen einer FFP2-Maske sei "weiterhin zu fordern", heißt es da – zwei Tage, nachdem die Regierung die Abschaffung der Indoor-Maskenpflicht verkündete.

26. Februar 2022: Die Gecko-Spitze aus Gesundheitsbeamtin Katharina Reich und Generalmajor Rudolf Striedinger steht hinter dem Öffnungsplan. Die beiden üben im Interview mit dem STANDARD aber auch daran Kritik, dass die Regierung Gecko schon in der Vergangenheit vorschob, wenn es um die Verkündung von Maßnahmen ging.

3. März 2022: Mückstein tritt zurück – wegen massiver Bedrohungen, aber auch, weil er mit dem Corona-Kurs der Regierung unzufrieden sein soll. Die Verordnung zu den Corona-Lockerungen unterschreibt er dennoch.

4. März 2022: Gecko sieht noch immer keinen Rückgang der Zahlen – die man ja aus Voraussetzung für Lockerungen sah – sondern spricht nach wie vor von einer Plateau-Bildung.

5. März 2022: Die angekündigten Öffnungen treten wir geplant in Kraft, Medien bezeichnen den Tag als "Freedom Day". Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien bezeichnet die Lockerungen als "zu früh". Der deutsche Virologe Christian Drosten spricht sich für eine Maskenpflicht in Innenräumen während des ganzen Sommers aus.

8. März 2022: Johannes Rauch (Grüne) wird als neuer Gesundheitsminister angelobt. Das Prognosekonsortium geht in seinem jüngsten Bericht nicht mehr von einem Plateau, sondern von einem Anstieg der Zahlen aus.

9. März 2022: Mit über 47.000 Neuinfektionen wird der – vorläufig – höchste Wert seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Rauch bläst die Impfpflicht zumindest für den Moment ab und beruft sich dabei auf den Bericht einer eigens eingerichteten Kommission. Die hätte allerdings Spielraum für eine Impfpflicht gesehen, Rauch und Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) sagen das bei ihrer Pressekonferenz allerdings nicht dazu.

10. März 2022: Epidemiologin Eva Schernhammer – sie ist Teil der Impfpflichtkommission – tritt dafür ein, dass eine Impfplicht zumindest im Gesundheitsbereich kommt. Rauch schloss das aber aus. Am selben Tag spricht sich die Corona-Ampelkommission eigentlich für eine "Wiedereinführung" von Corona-Maßnahmen aus. Nach einem Anruf an Vorsitzende Katharina Reich – von wem, ist unklar – tritt diese aber für eine Umformulierung ein: Die "Wiedereinführung" wird gestrichen.

11. März 2022: Lungenfacharzt Bernd Lamprecht spricht von belasteten Spitälern. Er sieht eine Diskrepanz zwischen der "scheinbaren Normalität", die durch den Wegfall der Maßnahmen suggeriert werde und der "hohen Belastung" in den Spitälern. Er sagte aber auch: Von einer Wiedereinführung von Maßnahmen erwarte er sich keinen Erfolg. Bleiben die Infektionszahlen so hoch, so sagt Epidemiologin Schernhammer, so könnte das Gesundheitssystem an die Belastungsgrenzen gelangen.

15. März 2022: Gesundheitsminister Rauch verkündet, dass die Quarantäne für ungeimpfte Kontaktpersonen abgeschafft und Gratistests limitiert werden. Neuerlichen Maßnahmen erteilt er eine Absage. Der Grund: Die würden erst wirken, wenn die Welle abflacht. Ebenfalls an dem Tag veröffentlicht DER STANDARD einen Artikel mit dem Titel: "Verschobene Operationen: 'Lage in Spitälern so instabil wie nie'". Das Prognose-Konsortium schraubt ihre Prognosen erneut nach oben – sowohl, was die Infektionszahlen, als auch die Spitals- und Intensivbetten angeht.

16. März 2022: Mit 58.500 Neuinfektionen wird der bislang höchste Infektionsstand überhaupt verzeichnet.

17. März 2022: Die Wiener Zeitung berichtet von Verstimmungen in der Gecko-Kommission. Man würde Entscheidungen nicht in Abstimmung mit den Expertinnen und Experten treffen, die aber vorschieben, heißt es. Die Ärztekammer berichtet von einer massiven Überlastung der Spitäler. Gerald Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte, warnt davor, die Situation zu unterschätzen und dem Virus weiterhin "freien Lauf" zu lassen.

18. März 2022: Rauch verkündet das Comeback der Maske in Innenräumen. Er habe "in den letzten Stunden" Meinungen und Prognosen eingeholt, die Auswirkungen der hohen Zahlen besprochen, außerdem noch in der Früh mit Spitalsvertretern gesprochen. Das habe ihn mit Sorge erfüllt, sagt er. Außerdem verkündet er, dass die Quarantäneregeln für infiziertes Gesundheitspersonal aufgeweicht werden soll.

19. März 2022: Ein Teil der Gecko-Mitglieder ist in Sorge, dass eine Lockerung der Quarantäneregeln die Infektionszahlen noch weiter in die Höhe treiben wird. (Gabriele Scherndl, 19.3.2022)