Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist vielen Nutzern wichtig und entscheidet aktuell darüber, ob sie bestimmte Messenger nutzen oder nicht.

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In einem offenen Brief an die EU-Kommission klagen 39 Bürgerrechts-Organisationen die geplante Aushebelung der Chatverschlüsselung bei Messenger-Diensten wie Whatsapp an. "Private Kommunikation sei ein Eckpfeiler der demokratischen Gesellschaft und muss deshalb geschützt werden," lässt der Inhalt des Briefs wissen. Die Umsetzung der Maßnahmen würde "die EU zum Weltmarktführer bei der Massenüberwachung ganzer Bevölkerungen machen".

Chatkontrolle

Es ist ein umstrittenes Gesetzesvorhaben, das die EU-Kommission bereits Ende März vorlegen will. Unter dem Namen "Chatkontrolle" verbirgt sich der gesetzliche Zwang für E-Mail- und Messenger-Anbieter, künftig die Inhalte in ihren Apps regelmäßig nach "problematischen" Inhalten zu durchsuchen und diese dann automatisiert an Behörden zu melden. Besonders betroffen wären jene Services, die derzeit mit einer sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung werben, also eben dem Schutz der privaten Kommunikation gegenüber Außenstehenden.

Schon nach dem ersten Auftauchen des Vorschlags liefen Datenschützer Sturm. Es handle sich hierbei um nicht weniger als eine effektive Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch die Hintertür, so die Kritik. Die kommunizierte Idee der Kommission, diese Chatkontrolle sei ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Darstellung sexuellen Kindesmissbrauchs, sei zu hinterfragen.

Diese Kritik teilen auch die 39 Bürgerrechts-Organisationen, darunter namhafte Vertreter wie die Initiative European Digital Rights (EDRi) oder auch die deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD). In dem offenen Brief an die EU-Kommission beschreiben sie ihre Bedenken ausführlich. So sei etwa die Bekämpfung der Online-Verbreitung von Material zu sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern (CSAM) ohne Frage ein wichtiger Teil des Kampfes zum Schutz junger Menschen. Um solch "ungeheuerliche Verbrechen" zu verhindern, erfordere es jedoch einen "umfassenden Ansatz von Regierungen und Unternehmen", die Entstehung von CSAM mit sozialen und menschlichen Mitteln schon von vornherein zu verhindern.

Die bevorstehende EU-Gesetzgebung würde hier aber nicht helfen. Sie würde vielmehr die Position Schutz suchender Kinder, die bisher auf vertrauliche Kommunikation zählen konnten, weiter schwächen. Diese private Kommunikation von Personen dürfe nicht zu einem "Kollateralschaden" der bevorstehenden Gesetzgebung werden.

Massenüberwachung

Vor allem das flächendeckende Überwachen von privater Kommunikation kreiden die Organisationen an. "Menschen rund um den Globus vertrauen darauf, private Unterhaltungen führen zu können". Angefangen von Gesprächen mit Freunden, bis hin zum Kontakt mit Ärzten oder einem vertraulichen Gespräch mit Journalisten.

Sinnvoller seien deshalb "gezielte Eingriffe auf gesetzlicher Grundlage". Alles andere würde den EU-Grundrechten, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit widersprechen. Damit würde man sich in eine Reihe mit undemokratischen Regimes stellen, die ähnliche Methoden nutzen.

Den Verantwortlichen in der EU werfen die Verfasser des Briefs vor, in der Technologie eine schnelle Lösung für ein komplexes Problem zu vermuten. "Es gibt keine Möglichkeit, den Strafverfolgungsbehörden einen außergewöhnlichen Zugang zu Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation zu gewähren, ohne Schwachstellen zu schaffen, die Kriminelle und repressive Regierungen ausnutzen können." Das Scannen sämtlicher Online-Kommunikation würde Technologien wie Client-Side Scanning (CSS) oder KI-basiertes scannen erfordern – ein generalisiertes Überwachen aller Inhalte. Das würde die Essenz von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung "untergraben". Man würde damit Türen weit aufstoßen, die geschlossen bleiben sollten. (red, 19.3.2022)