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Hinter der Website callrussia.org stehen rund 60 Tech-Experten, Psychologen haben Skripts für Gespräche erstellt.

Foto: Reuters/JANIS LAIZANS

Die Wahrheit ist bekanntlich das erste Opfer eines jeden Krieges. Und so dauerte es nicht lange, bis in Russland diverse ausländische Medien radikal in ihren Möglichkeiten eingeschränkt und ausländische Netzwerke wir Facebook und Twitter gesperrt wurden. Mit diversen Initiativen versucht man nun, die Bevölkerung auf anderem Wege zu erreichen. So ermöglicht eine Website, russische Bürgerinnen und Bürger mit vorgefertigten Nachrichten zu beschicken. In anderen Fällen wurden Restaurant-Rezensionen auf Google Maps genutzt, um über den Krieg aufzuklären.

Eine weitere Initiative dieser Art ist die Website callrussia.org. Sie richtet sich an Menschen mit russischen Sprachkenntnissen, die Menschen in Russland anrufen und mit diesen über den Krieg in der Ukraine reden sollen. Dazu findet sich auf der Website ein Button mit der Aufschrift "Rufen Sie jetzt Russland an", hinter dem sich eine zufällig generierte Telefonnummer eines russischen Staatsbürgers befindet, außerdem wird die aktuelle Uhrzeit in Moskau angezeigt – wobei an dieser Stelle erwähnt sein sollte, dass Russland über elf unterschiedliche Zeitzonen verfügt.

Nur ein kleiner Teil ist bereit für Gespräch

Die insgesamt 40 Millionen Telefonnummern stammen laut einem Artikel der Irish Times aus öffentlich zugänglichen Quellen und wurden in einer eigenen Datenbank zusammengefasst. Die Kampagne hat ihr Headquarter in Litauen. Rund 60 Tech-Experten arbeiten an dem Projekt, zusätzlich haben Psychologen Skripte erstellt, mit denen die Gespräche geführt werden sollen.

Über 500.000 Anrufe sollen bereits über die Webseite durchgeführt worden sein, wovon dem Medienbericht zufolge aber nur ein kleiner Teil der Angerufenen wirklich bereit ist, zuzuhören. Der Guardian nennt das Beispiel der 29jährigen Buchhalterin Lidia, die ursprünglich aus Moskau stammt. Mehr als 20 Gespräche hat sie bisher geführt, von denen viele abrupt endeten. In anderen Fällen wurde sie barsch gefragt, wer im Westen sie für diese Anrufe bezahle.

Dennoch glaubt die Freiwillige, mit ihrer Arbeit etwas zu bewirken: "Man braucht nur eine Konversation, bei der man das Gefühl hat, dass das Gegenüber die täglichen Nachrichten der Staatsmedien anzweifelt, um zu fühlen, dass es das wert ist", wird sie in dem Medienbericht zitiert. Dementsprechend werde sie weiterhin in den Mittagspausen und nach Feierabend derartige Anrufe tätigen.

Dies ist genau der Ansatz, den Paulius Senūta, einer der Gründer der Initiative, verfolgt: Ein einziger Anruf könne nicht viel bewirken, aber Millionen Anrufe könnten sowohl einen Unterschied machen, sagt er – und schließlich seien die Menschen in Russland die einzigen, die sich im Inland gegen Putin auflehnen können. (red, 20.3.2022)