Ist sie wieder zurück, die Verteilungsdiskussion aus dem Jahr 2015? Kreist Europa einmal mehr um die Frage, welche EU-Staaten wie viele Flüchtlinge aufnehmen sollen und wie das alles zentral geregelt werden kann? Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Schon geistert wieder die Forderung nach "verpflichtender Solidarität" durch die Debatten.

Der Krieg in der Ukraine könnte bis zu 10 Millionen Menschen vertreiben.
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Angesichts der Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die bereits in der EU angekommen sind oder noch erwartet werden, ist der Wunsch nach koordiniertem Vorgehen berechtigt. Dennoch sollte man dabei nicht einfach alten Wein in neue Schläuche füllen. Eine EU-Richtlinie, die nun zur Anwendung kommt, sieht keine Verteilung in Europa vor. Ukraine-Flüchtlinge können hingehen, wo sie wollen, und erhalten dort auch Zugang zum Arbeitsmarkt. Und: Sie konnten bereits vor Kriegsausbruch ohne Visum in die EU einreisen.

All das wird begleitet von einer bemerkenswerten Solidarität in der EU, von der Bereitschaft, zu spenden oder Menschen aufzunehmen. Das gilt gerade auch für Polen, das sich stets gegen eine Verteilung von Flüchtlingen ausgesprochen hat und nun die meisten aufnimmt. Ob vorübergehend oder dauerhaft, das muss sich erst zeigen. Wichtig ist, dass rasch geholfen wird. Die EU macht dafür beachtliche Mittel frei. Auch ein Verteilsystem für jene, die nicht wissen, wo sie hinsollen, wäre nützlich – als Service, nicht als Verpflichtung. Denn das organisierte Herumschieben von Menschen war schon immer die hässliche Kehrseite der Aufnahmequoten. Auch wenn manche sich mit dem Argument vor allem selbst aus der Affäre zogen. (Gerald Schubert, 20.3.2022)