Wer in der Mittagspause weiter fährt als notwendig, verliert seinen Versicherungsschutz.

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Wer sich während der Arbeit im Homeoffice verletzt, ist durch die berufliche Unfallversicherung geschützt und hat Anspruch auf Rehabilitation und Versehrtenrente. Wie ein aktueller Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) zeigt, stellen sich dabei aber oft schwierige Abgrenzungsfragen. Denn wo endet im Homeoffice das Berufliche? Und wo beginnt das Private, das von der Unfallversicherung nicht mehr gedeckt ist?

Ein Beamter hatte im Frühjahr 2020 in Absprache mit seinem Arbeitgeber von zu Hause aus gearbeitet. In seiner Pause setzte er sich aufs Motorrad und fuhr mehrere Kilometer zu einem Supermarkt, um sich dort eine Jause zu holen. Auf dem Rückweg fing das Motorrad des Mannes plötzlich Feuer. Dabei zog er sich schwere Verletzungen zu.

Nach dem Vorfall beantragte der Mann eine Versehrtenrente, die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter lehnte aber ab. Und auch der Weg bis zum Höchstgericht blieb für den Beamten erfolglos. Denn aus Sicht der Richterinnen hätte der Mann auch zu Fuß zum nächsten Geschäft gehen können. (OGH 25. 1. 2022, 10 ObS 183/21s)

Kein unnötiger Weg

Laut dem Obersten Gerichtshof sind zwar auch Unfälle, die sich während einer Mittagspause ereignen, Arbeitsunfälle, dabei gelten jedoch strenge Regeln. Der Weg, der in der Arbeitspause zurückgelegt wird, muss demnach "lebenswichtiger persönlicher Bedürfnisse" dienen. Das Ziel muss zudem "ein in der Nähe der Arbeitsstätte gelegener Ort" sein. Wer in der Mittagspause weiter fährt als notwendig, verliert also seinen Versicherungsschutz.

"Die Abgrenzung zwischen privat und beruflich ist in der Unfallversicherung seit jeher ein Problem", sagt Susanne Auer-Mayer, Professorin für Arbeits- und Sozialrecht an der WU Wien. Der aktuelle Fall wäre daher auch ohne Homeoffice ähnlich beurteilt worden. An sich schützt die Versicherung nämlich nur "betriebliche Tätigkeiten". Der Gesetzgeber hat aber ausdrücklich geregelt, dass auch die "Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse" während der Arbeitszeit und der Pausen geschützt ist. Vereinfacht gesagt: Essen gehen oder der Weg zur Toilette sind umfasst.

Verschwimmende Grenzen

"Das Problem ist, dass im Homeoffice die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem immer weiter verschwimmen", sagt Auer-Mayer. Auch die explizite Klarstellung des Gesetzgebers, dass das Homeoffice als Arbeitsstätte gilt, habe dieses Problem nicht gelöst. "Wer sich in der Mittagspause etwas zu essen macht und dabei verletzt, ist wohl geschützt", sagt Auer-Mayer. "Außer man kocht ein Fünf-Gänge-Menü." Beim Wäscheaufhängen sei dagegen kein Schutz gegeben.

Schwierig sei die Abgrenzung etwa beim Geschirrabwaschen: Wer im Büro den Geschirrspüler einräumt, ist unfallversichert. Laut OGH sind Mitarbeiter ja dazu verpflichtet, ihre Arbeitsplätze sauber zu halten. Inwieweit das auch fürs Homeoffice gilt, sei jedoch wegen der "Vermischung" mit dem Privatbereich schwierig zu beurteilen, sagt Auer-Mayer.

Zusätzlich Leistungen

Rechtsanwältin Jana Eichmeyer von E+H empfiehlt folgende Faustregel: "Alles, was man auch im Büro machen kann bzw. müsste, ist von der Versicherung erfasst. Alles andere nicht." Die neue Regelung zum Homeoffice erleichtere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein wenig den Beweis, dass man zum Zeitpunkt des Unfalls zu Hause gearbeitet hat. Wichtig sei jedenfalls, auch im Homeoffice genaue Zeitaufzeichnungen zu machen.

Im Detail stellen sich oft schwierige Abgrenzungsfragen, die letztlich die Gerichte klären müssen. Für Menschen, die sich dauerhafte Verletzungen zuziehen, geht es dabei um viel Geld. Denn Arbeitgeberinnen müssen bei einem Arbeitsunfall das Entgelt länger weiterbezahlen. "Das Krankengeld ist ja niedriger", sagt Eichmeyer. "Je länger der Arbeitgeber zahlen muss, desto besser für die Mitarbeiter."

Dazu kommt, dass die gesetzliche Unfallversicherung mehr Leistungen als die Krankenversicherung bietet, die nur die reinen Behandlungskosten übernimmt. Sie bezahlt zum Beispiel auch Maßnahmen zur Rehabilitation, Heilbehelfe wie Krücken und Versehrtenrenten bei dauerhaften Beeinträchtigungen. (Jakob Pflügl, 21.3.2022)