Bild einer Demonstration anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus vergangene Woche in Wien.

Foto: IMAGO/Isabelle Ouvrard

Am Montag hat der Verein Zivilcourage und Antirassismusarbeit (Zara) seinen "Rassismus-Report" für 2021 präsentiert. Der Schwerpunkt des Berichts lag auf institutionellem und strukturellem Rassismus, einer "zutiefst im System verankerten Ungerechtigkeit", wie es Zara-Geschäftsführerin Barbara Liegl formulierte. Sie forderte deshalb einen nationalen Aktionsplan von der Politik. Dieser wäre "ein sehr sichtbares Zeichen dafür, dass die österreichische Regierung sich gegen institutionellen und strukturellen Rassismus einsetzt, dass sie erkennt, dass es ein Problem in unserer Gesellschaft ist, und dass Ziele und Maßnahme gesetzt werden, die das zu überwinden helfen", hielt Liegl fest.

Kürzlich haben die EU-Justizministerinnen und -minister, darunter auch die österreichische Ministerin, die Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus in nationalen Aktionsplänen bis Ende des Jahres angekündigt. Liegl hofft nun auf eine schnelle Umsetzung unter Einbindung von Anti-Rassismus-Expertinnen und -Experten.

1.977 Meldungen

Die Leiterin der Zara-Beratungsstellen, Fiorentina Azizi-Hacker, nannte einige Beispiele für strukturellen Rassismus: eine schwarze Studentin etwa, die ohne Begründung nicht zum Bewerbungssystem eingeladen wurde, im Gegensatz zu ihren weißen Kommilitonen; oder einen Mann, der beim Spaziergang mit seinem Hund rassistisch beschimpft und in den Brustkorb getreten worden war, dessen Verfahren aber eingestellt wurde.

Insgesamt wurden Zara im vergangenen Jahr 1.977-mal Fälle von Rassismus gemeldet. Mehr als die Hälfte davon sei im Internet passiert. Zara hat die Fälle dokumentiert und bearbeitet. Sie seien allerdings nur die "Spitze des Eisbergs", sagte Azizi-Hacker. Man sehe schließlich nur das, was gemeldet werde. Dieser Eisberg drohe die Gesellschaft zu spalten. Viele würden die Erfahrung machen, dass ihnen die Polizei keinen Glauben schenke, berichtete Liegl. Nur 22 Prozent aller Fälle kämen von Betroffenen selbst. Der Anteil sei allerdings gestiegen, 2020 lag er noch bei 14 Prozent. 2021 habe Zara noch gezielter auf entlastenden und stärkende Gespräche gesetzt.

Operation Luxor

Farid Hafez, Politikwissenschafter und Gastautor, brachte ein persönliches Beispiel: Seine Wohnung wurde im Zuge der "Operation Luxor" von Wega-Beamten gestürmt. Hafez forscht zum Thema Islamophobie, was seinen Angaben zufolge der Grund für die Razzia war. "Operation Luxor" war eine großangelegte Razzia im November 2020 in mehreren Bundesländern. Ihnen lagen strafrechtliche Ermittlungen gegen mutmaßliche Muslimbrüder in Österreich zugrunde. Sie zählten mehr als hundert Beschuldigte auf. Die Vorwürfe gegen sie lauteten auf Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorfinanzierung und Geldwäsche.

Von über 1.500 Aktenteilen gelte ein Teil Hafez. Darin heißt es laut Hafez, dass über Islamophobie zu sprechen gleichbedeutend sei damit, ein Kalifat errichten zu wollen. Die Erfahrung seiner Familie – auch Hafez' Tochter war bei der nächtlichen Razzia durch Wega-Beamte anwesend – sei ein "Paradebeispiel für strukturellen Rassismus, in dem Fall richtet es sich gegen Muslime". Die Operation Luxor sei "Abbild und Ergebnis zahlreicher negativer Veränderungen in der österreichischen Gesellschaft" in den vergangenen Jahren.

Diese Veränderungen gingen weniger von der Gesellschaft aus als von Menschen in politischen Verantwortungspositionen "durch ihren gezielten Dauerbeschuss von religiösen Einrichtungen". Als Beispiel dafür nannten Hafez das Kopftuchverbot, Moscheenschließungen, die später vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben wurden, oder eben die Operation Luxor, "den Höhepunkt einer unrühmlichen Folge von antimuslimischen Handlungen".

Black-Voices-Volksbegehren

Emmeraude Banda, Sprecher des Black-Voices-Volksbegehrens, sprach ebenfalls von einem "tiefgehenden rassistischen Problem". Das Black-Voices-Volksbegehren ist das erste Antirassismusvolksbegehren in Österreich. Es setzt sich für die gleichberechtigte Teilhabe von schwarzen Menschen und People of Color in allen Bereichen der österreichischen Gesellschaft ein. Banda wie auch Zara-Vertreterinnen forderten einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus.

Das Volksbegehren, das weiterhin läuft, beinhaltet sechs Forderungen. Am Montag ging Banda vor allem auf zwei davon ein: Wegen der aktuellen Fluchtbewegung aus der Ukraine kritisierte er die beschlossene EU-Richtlinie. Sie sieht vor, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schnell und unkompliziert aufgenommen werden können. Sie gilt allerdings nicht für Menschen, die ursprünglich aus anderen Ländern stammen, aber im Zuge des Krieges die Ukraine verlassen haben. Banda kritisierte, dass nur "weiße Ukrainer:innen so behandelt werden, wie es NGOs immer gefordert haben". Auch die Zara-Geschäftsführerin Liegl bezeichnete das Vorgehen als "Zwei-Klassen-Asylsystem".

Banda unterstrich zudem den Bereich Bildung als "zentralen Schlüssel für eine gerechtere Gesellschaft". Er berichtete von rassistischen Vorfällen an Schulen und forderte, im Lehrplan auch die Aufklärung über Kolonialismus und dessen Folgen zu thematisieren, um junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren. (giu, 21.3.2022)