Carlos Sainz Jr gibt Charles Leclerc einen Schluck vom Flaschi.

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Die neue rote Göttin.

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Sakhir – Das rote Imperium hat zurückgeschlagen. "Es ist keine Fata Morgana in der Wüste", schrieb die "Gazzetta dello Sport" nach dem Ferrari-Doppelschlag in Bahrain durch Charles Leclerc und Carlos Sainz. Für Red Bull wurde mit dem rätselhaften doppelten K. o. hingegen der "schlimmste Albtraum" (Christian Horner) wahr. Mercedes hofft noch, einen Dreikampf entfachen zu können.

Einen besseren Start in die neue Formel-1-Zeitrechnung hätten sich auch Hollywood-Dramaturgen nicht besser ausmalen können. "Die alten Machtverhältnisse sind erschüttert", kommentierte die "Süddeutsche Zeitung" den ersten Ferrari-Sieg seit 22. September 2019. Nach einem packendem Zweikampf von Leclerc und Max Verstappen ging der Red Bull des Niederländers kurz vor Schluss wegen eines unerwarteten Problems mit der Benzinzufuhr ein. Mercedes, das die vergangenen acht Jahre dominiert hat wie kaum ein Rennstall zuvor in der Geschichte, schlüpfte wegen des neuen Technik-Reglements in eine bescheidene Nebenrolle.

Ferrari: Radikaler Neuentwurf

Ferrari sei aus Trümmern auferstanden, schrieben sinngemäß mehrere Zeitungen, nachdem die Scuderia 2020 mit dem sechsten Platz in der Konstrukteurs-WM das schlechteste Ergebnis seit 1980 zu Buche gebracht hatte. 2021 kam zwar ein deutlicher Aufwärtstrend mit Platz drei hinter Mercedes und Red Bull, um Siege konnte man aus eigener Kraft aber nicht fahren. Aus dem Grund wurden in Maranello früh viele Energien in das neue Auto gesteckt. 2022 erforderte aufgrund der geänderten Aerodynamik-Philosophie einen radikalen Neuentwurf, darin lag aber auch die große Chance. Zudem ist der Motor im Heck des F1-75 leistungsstark und zuverlässig.

"Dass wir endlich gezeigt haben, all die Arbeit, die wir in den letzten zwei Jahren reingesteckt haben, hat etwas gebracht, fühlt sich unglaublich schön an", sagte Leclerc über "ein wunderbares Märchen aus Tausend und einer Nacht unter dem arabischen Nachthimmel" ("FAZ"). "Es hat bestmöglich begonnen: Pole Position, Sieg, schnellste Runde, Eins-Zwei mit Carlos – auf was Besseres hätten wir nicht hoffen können", betonte der Monegasse. "Es ist für jeden gut zu sehen, dass Ferrari wieder so wettbewerbsfähig ist", sagte Formel-1-Geschäftsführer und Ex-Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali.

Red Bull: Zusammengesteckte Köpfe

Bei Red Bull war vorerst nach dem Kollaps von Sakhir Rätselraten angesagt. Nicht nur Verstappen, auch Teamgefährte Sergio Perez und der Alpha Tauri von Pierre Gasly blieben auf der Strecke liegen. "Der Defekt bei Verstappen und Perez scheint derselbe zu sein. Gasly weiß ich noch nicht, aber es ist sicher was anderes", erklärte Konsulent Helmut Marko im ORF. Warum davon in der Testphase nie etwas zu sehen war, sondern erst im Auftaktrennen, frage er sich auch. "Wir stecken die Köpfe zusammen. Wir haben keine schlüssige Erklärung."

Verstappen hatte dazu ein Problem mit der Servolenkung. "Es war fast unmöglich zu lenken. Je schneller ich war, desto mehr habe ich auch so etwas wie eine Verzögerung gespürt", sagte der Weltmeister. Obendrein gab Marko "eine Fehleinschätzung" in puncto Strategie bei Verstappen zu. Der Niederländer hatte sich heftig über das für ihn zu langsam vorgegebene Tempo in den Runden nach seinen Boxenstopps beschwert.

Mercedes: Gedämpfte Erwartungen

Bei Mercedes freute man sich über die Plätze drei und vier von Lewis Hamilton und George Russell, was unter die Rubrik Schadensbegrenzung fiel. Die beiden Briten waren nach dem Doppelausfall bei Red Bull zur Stelle. "Das ist wirklich das beste Ergebnis, das wir hätten erzielen können", verlautete Hamilton, dämpfte aber zugleich Erwartungen an einen raschen Umschwung. "Aber wir sind gemeinsam schon so lange das beste Team und wissen alle genau, dass wir den Kopf unten halten und weiterarbeiten müssen, denn wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wir müssen unsere Wochenenden optimal nutzen, dann werden wir irgendwann wieder in den Kampf an der Spitze eingreifen können", sagte der Siebenfach-Champion.

Das neue Aerodynamik-Regime hat nicht nur die Hierarchie der Teams aufgelockert, es hat gemeinsam mit den neuen Reifen auch dafür gesorgt, dass die Autos einander über viele Runden folgen und sich bekämpfen können. In der Vergangenheit verhinderten das Luftverwirbelungen am Heck des Vordermanns, die Reifen verloren schnell an Substanz. Die nächsten Rad-an-Rad-Duelle und Überholmanöver werden also folgen. Nächste Ausfahrt am Sonntag: Saudi-Arabien. (APA, 21.3.2022)