Beginnen wir diesen Artikel doch einmal etwas unorthodox, nämlich mit einer Erklärung der Überschrift. Nein, das, was da steht, ist natürlich nicht ernst gemeint. Es ist eine Hommage an Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis", in dem (Achtung Spoiler!) ein Supercomputer nach ein paar Millionen Jahren Rechenzeit die Zahl 42 als Antwort auf die Frage "nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" ausspuckt.

Im Buch dient das nicht zuletzt als Lehrstück dafür, wie wichtig es ist, Fragen präzise zu formulieren, um ein sinnvolles Ergebnis zu bekommen. Insofern passt es dann doch wieder ganz gut zum Thema, lässt doch die oft aufgeworfene Frage nach dem "Jahr des Linux-Desktops" ebenfalls einiges an Schärfe vermissen.

Gnome 42

Diesen kleinen Exkurs hinter uns gebracht habend, können wir uns dem eigentlichen Thema zuwenden: Gnome 42. Das wurde nämlich eben veröffentlicht und bringt auch ganz ohne Superlative durchaus interessante Neuerungen. Viele davon sind oberflächlicher Natur, bei näherer Betrachtung stehen dahinter dann aber wiederum interessante – und kontroverse – Anpassungen an der technischen Basis der Linux-Desktop-Umgebung.

Gnome 42: Dank Dark Mode wird die Katze nicht beim Schlafen gestört.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Licht aus!

Die für die Nutzer wohl auffälligste Neuerung: Es gibt nun endlich einen systemweiten Dark Mode. In den Systemeinstellungen findet sich nun ein Punkt namens "Erscheinungsbild", in dem die Nutzer zwischen hellem und dunklem Modus wechseln können.

Nun wissen erfahrene Linux-User natürlich: Das mit dem "systemweit" ist angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten, Programme mit grafischer Oberfläche zu bauen, äußerst relativ. In diesem Fall sind es vor allem die bei Gnome selbst mitgelieferten und einige externe Programme, die das unterstützen. Allen voran jene, die die neueste Generation des Gnome zugrunde liegenden UI-Toolkits, also GTK4, nutzen. Aber auch einige GTK3-Programme machen da problemlos mit. Vor allem aber: Es gibt Arbeiten an einer Standardisierung, sodass der Wechsel künftig Desktop-übergreifend funktionieren wird.

Gut umgesetzt

Zum Vergleich: Alles in hell …
Screenshot: Proschofsky / STANDARD
... und in dunkel.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Die Gnome-Implementation ist zumindest schon mal wirklich hübsch geworden. So gibt es einen sanft animierten Übergang zwischen heller und dunkler Darstellung der Programme. Zudem gibt es in einigen Programmen die Möglichkeit, wahlweise der desktopweiten Einstellung zu folgen oder auch die helle oder dunkle Darstellung fix einzustellen.

Das Ganze wird aber noch mit einer Neuerung bei den Bildschirmhintergründen kombiniert. Es gibt nun nämlich die Möglichkeit, Wallpapers in einem Paket aus hellen und dunklen Varianten anzubieten, die dann beim Wechsel auf den Dark Mode auch gleich mitziehen. Eine feine Idee, die auch tadellos funktioniert. Gnome 42 liefert dazu gleich ein paar passende Hintergründe mit.

Automatischer Wechsel

Was fehlt, ist eigentlich nur mehr der automatische Wechsel nach Tageszeit, also die Aktivierung des dunklen Modus bei Sonnenuntergang, wie ihn viele andere grafische Oberflächen anbieten. Es ist davon auszugehen, dass dies mit einer Folgeversion nachgereicht wird. Wer nicht so lange warten will, darf sich darüber freuen, dass die Kernoberfläche von Gnome, die Gnome Shell, ein mächtiges Erweiterungssystem aufweist. Entsprechend gibt es unter dem Namen "Night Theme Switcher" bereits eine passende Extension, die genau diese Aufgabe übernimmt.

Angepasste Themes allerorten

Auch bei der Gnome Shell wurde der optische Stil leicht angepasst, hier das Systemmenü mit den Schnelleinstellungen.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD
Ebenfalls neu gestaltet wurden die Overlays für gewisse Funktionen. Im Bild: Helligkeit, Lautstärke und der Indikator für den gerade genutzten virtuellen Desktop.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Doch das war es noch nicht mit den oberflächlichen Anpassungen. So wurde auch das Theme der erwähnten Gnome Shell in vielen Bereichen angepasst, Icons erneuert, Abstände, Rundungen und Hintergründe verändert. Zudem wurden einige der Overlay-Grafiken angepasst. So präsentieren sich etwa die grafische Anzeigen bei der Veränderung der Lautstärke oder beim Wechsel des Desktops dezenter. Der ganz große Umbruch ist all das zwar nicht, eine nette Detailverbesserung aber allemal.

Dass in Gnome 42 viele Programme etwas anders als zuvor aussehen, liegt an einem anderen Umstand. Ein guter Teil – rund die Hälfte – all der zum Desktop gehörigen Programme wurde für die neue Version auf GTK4 portiert und damit eben auf die neueste Generation des grafischen Toolkits. Das geht im Falle von Gnome aber noch mit einer zweiten Änderung einher: der Integration der sogenannten libadwaita – und hier kommt dann die einleitend bereits angedeutete Kontroverse. Das gefällt nämlich nicht allen.

Oberflächliche Diskussionen

Aber der Reihe nach. Was ist die "libadwaita" eigentlich? Dabei handelt es sich um eine Bibliothek, die einige Gnome-spezifische Oberflächendinge versammelt, die über das auch für andere Desktops gedachte GTK hinausgehen. Dazu gehören eigene Themes samt den sie beschreibenden Stylesheets – und genau da wären wir dann beim Streitpunkt.

Diese Themes sind nämlich für alle Programme, die die "libadwaita" nutzen, fix gesetzt. Klassische GTK-Themes werden hingegen schlicht ignoriert. Das vereinheitlicht den Look und erfreut so manche Entwickler, die bislang mit den Eigenheiten mehr oder weniger gut gewarteter Themes zu kämpfen haben und lieber einen Einheitslook für ihre Programme hätten – wie er ja auch auf anderen Plattformen vorhanden ist. Gleichzeitig nimmt das aber den Usern natürlich eine zentrale Anpassungsmöglichkeit.

Optional

Die Gnome-Entwickler betonen dabei, dass natürlich niemand die "libadwaita" verwenden muss, diese bleibt für Entwickler komplett optional. Sie ist nur für Programme gedacht, die sich bewusst an die Gnome-Design-Richtlinien halten wollen.

Ach ja: Distributionen können diesen Look natürlich noch immer anpassen, wenn sie sich diesen zusätzlichen Wartungsaufwand wirklich antun wollen, immerhin sind sie es, die bestimmen, welcher Code schlussendlich an die Nutzer ausgeliefert wird. Ob sie sich damit Freunde bei den Gnome-Entwicklern machen, ist noch mal eine andere Frage.

Verfeinerter Look

Doch wie sehen diese neuen Default-Themes nun aus? Im Kern ist der Look sehr ähnlich zum bisherigen Adwaita, aber auch etwas reduzierter, schlanker. Im Detail kommen dazu aber noch optische Verfeinerungen, neue Widgets und Highlights. Nun ist so was natürlich immer Geschmackssache, aber in Summe wirkt das alles mittlerweile ziemlich rund.

Screenshots

Die neue Oberfläche für die Aufnahme von Bildschirmfotos und Screencasts.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Eine weitere Neuerung von Gnome 42 ist da schon weniger kontrovers. Es gibt eine komplett neue Oberfläche zum Erstellen von Bildschirmfotos. Diese Funktionalität ist nun ein fixer Bestandteil der Gnome Shell, bisher war dies weitgehend in ein externes Programm ausgelagert.

In der Praxis sieht das dann so aus: Nach dem Druck auf die – ähm – "Druck"-Taste wird ein Dialog über das gesamte Desktop-Geschehen gelagert. Dort kann dann ausgewählt werden, ob ein vollständiger Screenshot von allen Inhalten getätigt werden soll oder die Nutzer lieber einen einzelnen Bereich manuell auswählen wollen. Ebenso ist es möglich, einzelne Fenster bequem mit der Maus auszuwählen.

Details, Details ...

Wer sich jetzt denkt, "das dauert aber lange, da hab ich ja schon alles verpasst!", kann beruhigt werden. Der eigentliche Screenshot wird schon beim Druck auf die Taste genommen, danach wird nur mehr gewählt, was davon gespeichert werden soll. Apropos: Auf diesem Weg aufgenommene Bilder landen nun in einem neuen, fixen Verzeichnis nämlich "~/Pictures/Screenshots". Zudem werden sie gleichzeitig direkt in die Zwischenablage kopiert, um die direkte Weiterverarbeitung möglichst einfach zu machen.

Noch ein Bonus: Über diese Oberfläche kann alternativ auch eine Screencast gestartet werden. Diese Funktionalität gab es schon bisher versteckt in der Gnome Shell, durch die Neuerung ist sie aber natürlich erheblich leichter zu erreichen.

Angepasste Oberfläche

Zu den einzelnen Programmen: Im Zuge der GTK4-Portierung wurden im Kontrollzentrum des Desktops auch gleich einige Dialoge neu gestaltet. Das reicht von den Bildschirmeinstellungen über die Detailangaben zu den installierten Programmen und deren Berechtigungen bis zum Setup der Remote-Desktop-Funktion. Apropos: Eben diese Remote-Desktop-Funktion unterstützt jetzt das RDP-Protokoll. Bei der Softwarezentrale wurde die Suche verbessert, Downloads werden nicht mehr automatisch initiiert, wenn der Akku fast leer oder die Netzwerkverbindung nicht unlimitiert ist.

Im Kontrollzentrum wurden bei der GTK4-Portierung auch gleich einige Dialoge neu gestaltet.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Files

Eigentlich sollte auch der Dateimanager von Gnome – einst mal Nautilus genannt – auf GTK4 portiert werden. Das ist in dem Fall aber ein gröberes Unterfangen, also wurde dieser Schritt auf die nächste Version verschoben. Es gibt aber auch so einige Neuerungen. Dazu gehört eine neue Ausführung jenes "Pathbar", der anzeigt, in welchem Verzeichnis man sich gerade befindet. Diese ist nicht nur kompakter, sondern auch scrollbar und besitzt ein angehängtes Kontextmenü für zentrale Aktionen wie das Anlegen eines neuen Verzeichnis.

Ansonsten wurde beim Dateimanager die Suchfunktion erweitert, und es gibt Anpassungen in den Menüs sowie einen umgestalteten Dialog zum Umbenennen von Dateien. Unzweifelhaft in die Kategorie "Geschmackssache" gehört dann wieder das neue Design für Verzeichnis-Icons. Diese weisen nun einen blauen Verlauf auf.

Programm-Updates

Einen wichtigen Modernisierungsschritt macht der Videoplayer Totem. Hier werden nun hardwarebeschleunigte OpenGL Widgets zur Darstellung der Videos genutzt. Wem das jetzt gar nichts sagt, hier die vereinfachte Version: Die Ausgabe ist wesentlich flotter und verbraucht so auch weniger Ressourcen.

Beim Virtualisierungstool Boxes wurde der Dialog für die Detaileinstellungen zu einzelnen virtuellen Maschinen – also von der Vergabe des Speichers bis zur 3D-Beschleunigung – komplett neu gestaltet. Das Ergebnis ist tatsächlich deutlich übersichtlicher.

Performance

Der Webbrowser von Gnome nimmt das Scrollen jetzt ebenfalls hardwarebeschleunigt vor, was – wie wir ja jetzt schon wissen – heißt: flotter. Das zeigt sich vor allem beim Scrollen durch Webseiten. Die Performance des integrierten PDF-Anzeigers wurde ebenfalls gesteigert.

Für den gesamten Desktop erfreulich: Die integrierte Desktopsuche Tracker, die sämtliche lokalen Dateien automatisch indiziert, verbraucht nun um bis zu 50 Prozent weniger Speicher – und startet zudem flotter. Generell gab es Optimierungen bei der Darstellung von Programmen im Vollbildschirmmodus. Das resultiert in einen reduzierten Stromverbrauch bei der Videowiedergabe und bessere Performance bei Spielen.

Auch sonst war die Optimierung der Performance wieder ein Fokus der Entwicklung. Die spannendste Neuerung ist sich dabei aber für Gnome 42 nicht mehr ausgegangen. Der Triple-Buffering-Support soll die Geschwindigkeit gerade auf langsameren Geräten massiv steigern, so ist etwa beim Raspberry Pi von einer Verdopplung der Leistung die Rede. Die gute Nachricht: So manche Distribution wird diese Patches trotzdem übernehmen – allen voran das kommende Ubuntu 22.04.

Ein neuer Text-Editor

Screenshot: Proschofsky / STANDARD
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Dann wären da noch zwei komplette Neuzugänge im Programmreigen von Gnome. Den Anfang macht der simpel genannte "Gnome Text Editor", der das alte Gedit als Default-Lösung zur Erstellung simpler Textdokumente ersetzt. Der Kern für die Textanzeige ist dabei mit Gtksourceview gleichgeblieben, darüber gibt es dann aber eine modernisierte Oberfläche. Einer der auffälligsten Unterschiede ist zudem, dass der "Gnome Text Editor" eine Autosave-Funktion bietet, die Inhalte also laufend automatisch speichert.

Ganz so weit ist es bei "Console" hingegen noch nicht. Dieses soll zwar auf Sicht ebenfalls den alten "Gnome Terminal" ersetzen, derzeit gibt es aber noch beide parallel, da Console noch nicht ganz ausgereift ist. Die Idee dahinter: Kommandozeilen-Profis installieren sich sowieso externe Lösungen wie Terminator oder Tilix. Da macht es für Gnome mehr Sinn, eine wirklich schlanke und auf die Basics reduzierte Lösung zu integrieren, als den irgendwo in der Mitte stehenden Gnome Terminal zu nehmen.

Fazit

Es sind die vielen kleinen Änderungen, die Gnome 42 zu einem äußerst gelungenen Update machen. Gerade all der Feinschliff an der Optik, der zentrale Dark Mode, die vielen Aktualisierungen auf GTK4 aber auch diverse neue Features und Performance-Verbesserungen führen dazu, dass sich der Desktop mittlerweile als erfreulich runde Sache präsentiert.

Verfügbarkeit

Gnome 42 steht wie gewohnt in Form des Quellcodes zum Download zur Verfügung. Dieser wird nun nach und nach in die Entwicklungsversionen der diversen Distributionen eingefügt. Zudem gibt es zum Ausprobieren das sogenannte Gnome OS, eine vor allem für Tests gedachte Distribution, die immer den aktuellsten Stand der Entwicklung abbildet.

Viele der in Gnome enthaltenen Programme werden zudem in den kommenden Tagen auch auf der distributionsübergreifenden Softwareplattform Flathub aktualisiert werden. Genau genommen gibt es dort einige davon sogar bereits in der neuen Version. Damit profitieren dann auch jene, die einen älteren Desktop einsetzen, von deren Neuerungen. Vorausgesetzt natürlich, sie beziehen die betreffenden Programme auf diesem Weg – also als Flatpak. (Andreas Proschofsky, 23.3.2022)