"Wir können nimma", "Ohne uns spüt's ka Musi" und "Mehr Personal", hieß es auf Plakaten bei den Protesten in Wien.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Rund 250 Personen fanden sich in Wien auf dem Minoritenplatz ein und machten "Wirbel 2.0".

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Wien – Merjems Plakat ist farbenfroh, doch die bunten Buchstaben sagen Ernüchterndes: "Wir können nimma". Seit zwei Jahren arbeitet Merjem als Pädagogin in einem Kindergarten der Stadt Wien. Sie sagt, dass sie nie in der Arbeit weine. Aber in der vergangenen Woche sei es gleich zweimal so weit gewesen. Die aktuell auftretenden Personalausfälle wegen Krankenstand oder Quarantäne würden ohnehin vorhandene Probleme sehr verschärfen. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie liegen die Nerven offenbar blank.

Dass das Kindergartenpersonal wütend und am Ende sei, betonen auch Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaft Younion, als sie Montagvormittag am Wiener Minoritenplatz aufs Podium treten. Younion hat an dem Tag bundesweit zu Protestaktionen geladen. Rund 250 Personen fanden sich etwa vor dem Bildungsministerium in Wien ein, rund 50 demonstrierten zum Beispiel in St. Pölten. Die meisten anderen Aktionen waren für den Nachmittag anberaumt. Die Kindergärten selbst liefen wegen der gesetzlichen Betriebspflicht zumindest im Notbetrieb weiter.

Wirbel 2.0 am Minoritenplatz

In der Wiener City schwangen Pädagoginnen und vereinzelt Pädagogen Ratschen, bliesen in Tröten, trommelten und pfiffen, um dem Protestmotto "Jetzt gibt's Wirbel 2.0" gerecht zu werden. Vor dem Bildungsministerium wurde bereits im Oktober 2021 protestiert. Damals hieß der Bildungsminister aber noch Heinz Faßmann. Nun wird für Faßmann-Nachfolger Martin Polaschek nachgelegt.

Eine der Demonstrantinnen ist Karin Poiss, seit 2007 Leiterin eines Kindergartens im elften Bezirk. Sie sagt: "Es war schon vor Corona alles sehr, sehr angespannt. Die Probleme haben sich alle aber verstärkt." Ständig fehle wegen Covid Personal. "Wir brauchen mehr Mitarbeiterinnen, die das auch durchhalten können", erklärt Poiss. "Es ist der schönste Beruf der Welt, aber man kann ihn nicht machen, wenn man dabei alleine ist."

Bund möge handeln

Für 13 Uhr war ein Termin der Gewerkschaft mit Bildungsminister Polaschek anberaumt. ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann sagte vorab im STANDARD-Gespräch: "Es braucht Geld, dringend mehr Personal und eine Ausbildungsoffensive."

Younion-Vorsitzender Christian Meidlinger erklärte vor den Versammelten, den Verweis, dass die Bundesländer für die Kindergärten zuständig seien, nicht der Bund, das "können wir schon nicht mehr hören". Zwar fallen die Kindergärten ins Aufgabengebiet der Bundesländer – daher hat auch jedes Land seine eigenen Qualitätsstandards. Für neue Ausbildungsplätze, so führte Meidlinger aus, sei aber sehr wohl der Minister zuständig. Und es brauche mehr Ausbildungsstätten, denn in den nächsten Jahren brauche es wegen Pensionierungen etwa 20.000 neue Pädagoginnen und Pädagogen. Außerdem solle die Bundesregierung für Elementarpädagogik ein Prozent des BIP ausgeben statt wie bisher 0,68 Prozent, fordert Meidlinger. Und für einen räumlichen Ausbau für kleinere Gruppengrößen brauche es zusätzlich 250 Millionen Euro im Jahr.

"Die Anliegen sind nachvollziehbar und verständlich", heißt es von Minister Polaschek zu den Protesten. Und weiter: "Für die laufende 15a-Vereinbarung gibt es ein Bekenntnis der gesamten Bundesregierung, die Mittel für die Elementarpädagogik deutlich zu erhöhen." Die Verfassung sehe aber nicht vor, dass der Bund Regelungen erlasse. Die Gewerkschaft fordert ja unter anderem auch ein einheitliches Bundesrahmengesetz für die Elementarpädagogik in ganz Österreich.

"Kann nicht mit Maske arbeiten"

"Es gehen viele weg, es kommen aber wenige nach", schildert eine Kindergartenpädagogin, die im zwölften Bezirk arbeitet, das Problem der starken Personalfluktuation. In der Pandemie mache ihr besonders zu schaffen, dass die Kleinkinder nicht getestet würden und es vielen Eltern schwer zu vermitteln sei – manchmal auch sprachlich –, wie wichtig das sei. "Bei so kleinen Kindern kann man aber nicht mit Maske arbeiten", gibt die Angestellte zu bedenken.

Auch in den privaten Einrichtungen ist der Unmut groß: Am Dienstag, dem 29. März, demonstrieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der privaten Kindergärten, Horte und schulischen Freizeitpädagogik – an diesem Tag bleiben diese Einrichtungen zu. (Gudrun Springer, 21.3.2022)