Die Karoo wird seit Jahren von einer schweren Dürre heimgesucht.

Foto: EPA / NIC BOTHMA

Sie nennen ihn den Wasserpropheten: Mit seinem wallenden weißen Vollbart und seinem schwindenden Haar sieht er auch ganz danach aus. Gideon Groenewald hat in seinem 66-jährigen Leben bereits über 8.000 Bohrlöcher in die Erde stechen lassen: 98 Prozent von ihnen sollen erfolgreich gewesen sein. Der Doktor der Geologie lebt in Middelburg, einem Dorf in der südafrikanischen Halbwüste Karoo, die seit Urzeiten mit geringsten Niederschlägen, nur rund 350 Millimeter im Jahr, auskommen muss. Als sich europäische Siedler vor 200 Jahren auch die Karoo unter den Nagel rissen, konnten sie dort lediglich Schafe züchten. Für Kühe oder gar Ackerbau war die unendliche erscheinende Landschaft mit ihren bizarren Hügeln bei weitem zu trocken.

Regelmäßig wird die Karoo auch von Dürren heimgesucht: In den vergangenen neun Jahren fiel so gut wie kein Regen. Die Heidebüsche verwandelten sich in totes, schwarzes Gestrüpp, und die Farmer mussten ihre Schafherden um zwei Drittel reduzieren. Eine ähnlich lange und verheerende Dürre habe es zuletzt vor 220 Jahren gegeben, sagt Groenewald: Ihre Spuren seien noch heute in Pflanzen oder dem Boden der Halbwüste auszumachen. Die Karoo-Bewohner – ob weiße Farmbesitzer oder schwarze Farmarbeiter – sahen sich in ihrer Existenz bedroht: Hätte die südafrikanische Hilfsorganisation "Gift of the Givers" nicht den Wasserpropheten um Hilfe gerufen, hätten außer Hunderttausenden von Schafen womöglich auch Hunderte von Menschen ihr Leben gelassen.

Wertvolles Grundwasser

So aber ließ Groenewald ein Bohrloch nach dem anderen in den Boden stechen: Insgesamt habe er mehr als 500 Brunnen in den Karoo-Boden gebohrt. Seitdem wird der Geologe hier wie ein Heiliger verehrt: "Ohne ihn wären wir verloren gewesen", sagt Schafsfarmerin Sybil Visagie. "Onkel Gideon", wie er sich selbst nennt, zeigt sich bescheidener: "Ich habe nur genutzt, was unser Schöpfer uns gab."

Grundwasser ist Afrikas größte Reserve an brauchbarem Wasser. Sein Volumen wird südlich der Sahara auf dieselbe Menge geschätzt, die der Nil in 15 Jahren trägt. Seltsamerweise würden im südlichen Teil des Kontinents aber nur fünf Prozent des Grundwassers genutzt, schreibt Wasserexperte Bradley Hiller im britischen "Guardian": "Dabei ist sein Potenzial gewaltig." In anderen Teilen der Welt habe die zur Bewässerung von Feldern angebohrte unterirdische Reserve landwirtschaftliche Revolutionen ausgelöst: wie in Kalifornien, Indien oder auch China. Doch nicht im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas.

Teure Bohrlöcher

Das führen Fachleute wie Geologe Gideon einerseits auf fehlendes Know-how zurück: Nicht jedes Land verfügt über einen Wasserpropheten. Er hatte als einstiger Angestellter der südafrikanischen Nationalparkbehörde außer der Geologie auch die Botanik und die Gewohnheiten der wilden Tiere kennengelernt: Mit diesem Wissen kann er heute unterirdischen Wasserreservoiren besser als andere auf die Schliche kommt. Dass Bohrlöcher im Süden Afrikas eher selten sind, liegt allerdings auch an den anfallenden Kosten: Die Preise für aus Europa importierte Pumpen und den eigens heranzuführenden Strom waren für afrikanische Verhältnisse zu teuer. Doch heute werden die von wenigen Solarmodulen betriebenen Pumpen aus China eingeführt – und sind im Paket schon für 500 Euro zu haben.

Schwierig bleibt allerdings das Management unterirdischer Aquifere: Anders als bei Staudämmen ist deren Wasserstand nicht mit bloßem Auge zu erkennen. Moderne Technologie löst allerdings auch dieses Problem: Längst seien unterirdische Wasserstände bis auf Millimeter auszumachen, sagt Onkel Gideon.

Regenwasser in den Untergrund

Aber was passiert, wenn die Aquifers leergepumpt werden? Dieses Problem stelle sich höchstens bei Zigtausende von Jahren alten Grundwasserreservoiren, die wie jene unter der Sahara nicht mehr nachgefüllt würden, sagt Groenewald. Die weit überwiegende Mehrheit der Grundwasserspeicher werden mit jedem Regen wieder aufgefüllt – nicht anders als die Staudämme, von denen es im Süden Afrikas nur so wimmelt. Anders als bei den Stauseen verdunstet in den unterirdischen Speichern kein wertvolles Nass: Sind sind wesentlich wirtschaftlicher als Oberflächenwasser.

Die Stadträte der namibischen Hauptstadt Windhoek, einer der trockensten Städte der Welt, haben sich aus den USA eine Methode zur Verlängerung der Lebensdauer eines Aquifer abgeschaut: indem in Regenzeiten überschüssiges Wasser in den Untergrund gepumpt wird, das dann in Dürrezeiten zur Verfügung steht. Die Technologie ist allerdings heikel, weil kein Schmutz ins Untergrundreservoir gelangen darf: Sonst würde der Speicher versanden. In Windhoek wurden von den acht dafür gedachten Pumpen bereits zwei gestohlen: Auch damit ist in dem bettelarmen Kontinent zu rechnen.

Ansonsten sieht Wasserprophet Groenewald eher gelassen in die Zukunft. Der derzeitigen Dürre werde – wie bisher noch jeder Dürre –eine feuchtere Zeit folgen, prophezeit er: "Das hat unser Schöpfer so eingerichtet." Und sollte der Schöpfer noch durch zahllose zusätzliche Bohrlöcher unterstützt werden, könnten Katastrophen wie die jüngste künftig womöglich abgewendet werden. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 22.3.2022)