Der Vatikan soll sich mehr als bisher für die Gläubigen öffnen.

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Der Name ist Programm: Praedicate Evangelium – die Verkündung der Frohen Botschaft, das war nach Auffassung von Papst Franziskus schon immer die wichtigste und nobelste Aufgabe, die Jesus Christus seinen Jüngern aufgetragen habe. Der Papst will nun eine Kirche, die aus sich heraus- und an die "Ränder der Gesellschaft" geht. Die Mission, die Bekehrung, die Evangelisierung ist nun das Leitmotiv der neuen Kurienverfassung.

Die Selbstbezogenheit und der Klerikalismus hinter den dicken Vatikan-Mauern waren dem Papst aus Argentinien schon immer ein Gräuel. Diese Mauern sollen nun, zumindest symbolisch, überwunden werden. In Zukunft sollen praktisch alle hohen Kurienämter auch von Laien – explizit auch von Frauen – ausgeübt werden können, bis hin zur Leitung der Dikasterien (Ministerien).

Frauen auf der Karriereleiter

Im Vorwort von Praedicate Evangelium heißt es dazu: "Papst, Bischöfe und andere ordinierte Pfarrer sind nicht die einzigen Bekehrer in der Kirche." Getaufte im Laienstand würden aufgrund ihres Familienlebens, ihrer Kenntnis der Wirklichkeit und ihres Glaubens "die Wege Gottes in der Welt entdecken". Das soll heißen: Der Papst will bei der Führung seiner Kirche auf den Erfahrungshorizont jener zurückgreifen, die nicht im Zölibat leben.

Ausgenommen von der Öffnung ist nicht einmal das vatikanische Kardinalsstaatssekretariat, die wichtigste und mächtigste Behörde. In der neuen Verfassung ist nunmehr vom "Staatssekretariat" die Rede: Irgendwann könnte also auch eine Frau zur zweitwichtigsten Person in der Kurie aufsteigen.

Ganz neu ist die Einsetzung von Laien freilich nicht: Franziskus hat mittlerweile eine Frau zur Direktorin der Vatikanischen Museen ernannt. Ohnehin ist der Vatikan weiblicher, als man gemeinhin annimmt: Ein Viertel der 2600 Angestellten der Kurie sind Frauen.

Neuordnung der Ämter

Ein zentraler Teil der neuen "Verfassung", die zu Pfingsten (5. Juni) in Kraft tritt, besteht in der umfassenden Neuordnung der kurialen Ämter. Die bisherigen Kongregationen und päpstlichen Räte werden abgeschafft, das wichtigste neue Dikasterium ist jenes für Evangelisierung. Dessen Leitung übernimmt Papst Franziskus persönlich – ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig ihm das Thema ist.

Grundsätzlich sind alle neuen Dikasterien gleichberechtigt, doch an der Reihenfolge ihrer Aufzählung lässt sich unschwer eine Hierarchie ablesen. An zweiter Stelle kommt das "Ministerium" für die Glaubenslehre. Dem wird die päpstliche Kommission zum Schutz Minderjähriger angegliedert, die aber weitgehend autonom bleiben soll.

An dritter Stelle steht das neue Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe: Der Papst hat immer betont, dass er eine "arme Kirche für die Armen" anstrebe.

Ein wichtiges Ziel der neuen Verfassung besteht auch in der Dezentralisierung der Kirche zugunsten der örtlichen Bischöfe.

Außerdem soll Sesselkleberei in der Kurie künftig verhindert werden: Die Amtszeit für alle Führungspositionen – außer jener des Papstes selbst – beträgt fünf Jahre, wobei man einmal für weitere fünf Jahre wiedergewählt werden kann.

Rücktrittsmöglichkeit

Apropos Amtszeit des Pontifex maximus: In der neuen vatikanischen Verfassung wird zwar ein möglicher Amtsverzicht – wie er im Februar 2013 von Benedikt XVI. gewählt wurde – nicht explizit geregelt. Aber zumindest indirekt wird die Möglichkeit eines "Papst-Rücktritts" durchaus erwähnt. Im neuen Text heißt es nicht mehr, wie noch in der Vorgängerverfassung Pastor Bonus, dass "alle Ämter mit dem Tode des Papstes erlöschen".

Die neue Formulierung besagt, dass dies "im Fall einer Sedisvakanz" eintrete – also dann, wenn für den, auf welche Weise auch immer, frei gewordenen Heiligen Stuhl ein neuer Papst gefunden werden muss. (Dominik Straub aus Rom, 21.3.2022)