Aufrufe zum Energiesparen haben derzeit wieder Hochkonjunktur. In sozialen Medien kursieren, teils unter dem Hashtag "Freeze for Peace", zu Deutsch "Frieren für den Frieden", Tipps zur Reduktion des eigenen Sprit- und Gasverbrauchs. Das soll nicht nur die Geldbörse schonen, sondern vor allem verhindern, dass noch mehr Devisen in Putins Kriegskasse wandern.

Ganz neu ist diese Idee vom "Energiespar-Aktivismus" nicht: Seit 2007 rufen Umweltschützer in der sogenannten Earth Hour dazu auf, für eine Stunde das Licht auszuschalten. Viel mehr als Symbolik sind solche Aktionen kaum, denn der weltweite Energieverbrauch zeigt steil nach oben – und mit ihm die CO2-Emissionen. Dabei wäre es eigentlich ganz einfach: Würden wir alle weniger Auto fahren, fliegen, Fleisch essen, konsumieren und nachhaltiger produzieren, könnten wir die schlimmsten Folgen der Klimakrise verhindern.

Anreize oder Verbote, was funktioniert besser im Klimaschutz? Mit Fragen wie dieser beschäftigt sich die Umweltpsychologie.
Foto: Illustration: Fatih Aydogdu

Warum machen wir es nicht einfach? Diese Frage stellt sich die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke in ihrem kürzlich erschienenen gleichnamigen Buch. "Es ist einfach zutiefst menschlich, dass wir oft eine Diskrepanz zwischen dem Wissen und unserem tatsächlichen Handeln haben", erklärt Uhl-Hädicke, die sich seit langem mit Fragen wie dieser beschäftigt. An der Universität Salzburg forscht sie zur Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur und geht auch der Frage nach, unter welchen Umständen Menschen umweltfreundlich oder nicht handeln. Die Umweltpsychologie beschäftigt sich aber auch damit, wie umweltfreundliches Verhalten gefördert werden kann.

Der Vergleich macht es aus

Wissenschaftlich ist der innere "Umweltschweinehund", wie ihn die Expertin nennt, mittlerweile recht gut erforscht. So haben sich Forscherinnen und Forscher beispielsweise angesehen, wie man Menschen dazu motivieren kann, den eigenen Energieverbrauch zu reduzieren. In einem Experiment wurde ein Teil der Probanden darüber informiert, wie viel Geld sie sparen, wenn sie weniger Energie verbrauchen. Die anderen haben Informationen darüber erhalten, wie viele Kilowattstunden sie einsparen und wie sich das auf das Klima auswirkt. Eine dritte Gruppe wurde weder über die finanzielle Erleichterung noch über die Klimawirkung informiert, sondern nur darüber, wo ihre Nachbarschaft im Energieverbrauch liegt. Das waren am Ende auch die Haushalte, die am meisten eingespart haben.

"Unser Verhalten wird sehr oft von unbewussten Faktoren gesteuert", sagt Uhl-Hädicke. Fragt man aber Menschen, ob das Verhalten anderer Einfluss auf das eigene hatte, tendieren sie dazu, das zu verneinen. "Wir sind sehr gut darin, rationale Gründe zu finden." Also statt zuzugeben, dass der direkte Vergleich mit der Nachbarschaft uns zum Energiesparen bewegt hat, erklären wir uns selbst, wir hätten es für das Klima gemacht. Diesen Effekt kann man sich zunutze machen, um Menschen zu umweltfreundlicherem Verhalten zu motivieren.

"Unser Verhalten wird sehr oft von unbewussten Faktoren gesteuert", sagt die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke.
Foto: HO

Aber reichen Anreize wie diese überhaupt, oder braucht es Beschränkungen und Verbote? "Definitiv beides", sagt Uhl-Hädicke. Verpflichtende Maßnahmen wie die CO2-Bepreisung seien zwar wirksam, das zeigt die Forschung. Bei vielen schrillen bei den Worten Verbot und Verpflichtung aber die Alarmglocken – sie gehen auf Widerstand. Anreize, die auf die freiwillige Kooperation abzielen, können wiederum diesen Widerstand reduzieren, auch weil die wahrgenommenen Kosten von klimafreundlichen Alternativen sinken.

Neues Narrativ gesucht

Was Klimaschutz kostet, wird ohnehin oft falsch eingeschätzt. Auf dem Papier geht die Rechnung finanziell auf: Auch wenn effektiver Klimaschutz weltweit Billionen Euro kosten würde, wäre es trotzdem bedeutend teurer, in einer von der Klimakrise geschädigten Welt zu leben. Im Kleinen nehmen wir zusätzlichen Klimaschutz aber trotzdem oft als unverhältnismäßig teuer und unangenehm wahr. Der Verzichtsgedanke sei noch viel zu präsent, sagt die Umweltpsychologin. "Wir brauchen dringend ein anderes Narrativ."

Denn die Erfahrung zeigt, dass Klimaschutz in vielen Fällen auch zu mehr Lebensqualität führen kann. Uhl-Hädicke nennt als Beispiel etwa die Debatte um eine City-Maut in Stockholm. Vor der Einführung im Jänner 2006 gingen viele noch auf die Barrikaden – nach einer sechsmonatigen Testphase hatte sich das Blatt gewendet, und ein Großteil der Menschen in Stockholm sprach sich für das Projekt aus. Denn die Stadt setzte neben der Beschränkung gleichzeitig auf Anreize: Öffentliche Verkehrsmittel wurden ausgebaut und für viele Stockholmerinnen zu einer echten Alternative. Selbst jene, die weiterhin auf das Auto angewiesen waren, freuten sich über weniger Verkehr und eine verkürzte Parkplatzsuche.

Mitsprache ist wichtig

Die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln zeigt sich auch bei Solar- oder Windparkprojekten, die zwar grundsätzlich befürwortet werden, aber viele nicht in der eigenen Nachbarschaft haben wollen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Mitsprache die Bevölkerung bei solchen Projekten hat, desto positiver werden sie auch aufgenommen.

Viele Hebel in der Klimakrise sind jedoch außerhalb der Reichweite von Einzelpersonen. Kann man da als Individuum überhaupt etwas ausrichten? "Ohne die politischen Rahmenbedingungen wird es ziemlich sicher nicht möglich sein, die Klimaziele zu erreichen", wirft Uhl-Hädicke ein und warnt davor, die Verantwortung auf Einzelpersonen abzuschieben. "Aber wir leben in einer Demokratie", sagt die Psychologin. Heißt: Jeder Einzelne könne mit seiner Stimme beeinflussen, in welche Richtung die Klimapolitik gehen soll. Zu dieser politischen Mitbestimmung gehöre auch, Klimaschutzmaßnahmen, wenn sie einmal eingeführt werden, mitzutragen – auch wenn sie im ersten Moment unangenehm erscheinen. (Nora Laufer, Philip Pramer, 22.3.2022)