Die Koalition nimmt wieder ordentlich Geld in die Hand. Sonntag High Noon hat sich die Regierung ausgesucht, um nach den vielen Corona-Hilfspaketen und einer Steuerentlastung ihr neuestes Antikrisenprojekt vorzustellen. Um 2,1 Milliarden Euro sollen die Menschen wegen der gestiegenen Energiekosten entlastet werden. Dabei ist das neue Projekt für den kleinen Koalitionspartner ein Drahtseilakt entlang der eigenen Prinzipien. Die Grünen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie bei ihrem zentralen Kernthema, dem Klimaschutz, einen Kompromiss mit der ÖVP geschlossen haben, der in der Sache kaum zu rechtfertigen ist.

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Der Staat subventioniert Menschen den Weg zur Arbeit mit dem klimaschädlichen Auto.
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Die Koalition ist mit dem Versprechen angetreten, dass ihre Politik "das Beste aus beiden Welten" bringen soll. Hinter der Formel verbarg sich eine simple Logik: Statt großkoalitionärer Blockadepolitik wollten sich beide Parteien gegenseitig Erfolge gönnen, insbesondere bei den Kernthemen des anderen. Bisher hat diese Arbeitsteilung, auch wenn es jeder Partei schwerfällt, funktioniert. Die ÖVP hat ihre strenge Linie bei der Migrationspolitik durchsetzen können, etwa mit ihrem Nein zur Aufnahme Geflüchteter aus griechischen Elendslagern. Die Grünen haben klimapolitische Akzente gesetzt und dürfen sich etwa übers Klimaticket und die Einführung einer CO2-Bepreisung fürs Wohnen und Autofahren freuen.

Mit dem Antiteuerungsprojekt ist das Mantra "das Beste aus beiden Welten" nicht mehr gültig. Das hat mit der Pendlerpauschale zu tun. Die Entlastung hier ist zwar nicht der größte Brocken des Pakets. Die Pendlerpauschale wird auf ein Jahr befristet um 50 Prozent angehoben, der damit zusammenhängende Pendlereuro wird vervierfacht. 400 Millionen Euro soll das den Bürgern bringen. Das ist nicht mal ein Viertel der fixierten Entlastung. Dieser Eingriff ist aber die Maßnahme mit der stärksten Symbolkraft, die zu den meisten Diskussionen führt.

Stadt gegen Land, Arm gegen Reich

Denn in der Pauschale stecken viele Konflikte drinnen. Die Förderung kommt vor allem Besserverdienern in ländlichen Regionen zugute. Es geht also um Stadt gegen Land, Arm gegen Reich. Vor allem aber um die Frage, wie sehr der Staat den Weg zur Arbeit subventionieren muss, wenn Menschen aufs klimaschädliche Auto zurückgreifen.

Denn die Pendlerpauschale ist eine klimaschädliche Subvention par excellence. Das Umweltbundesamt spricht davon, dass die Pauschale einen Anreiz für Zersiedelung und Pkw-Nutzung schaffe, weil tendenziell jener das meiste Geld bekommt, der weit weg von seinem Arbeitsort lebt und keine Öffis zur Verfügung hat. Selbst bei der kleinen Pauschale ist es egal, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich öffentliche Verkehrsmittel benutzt oder nicht. Gefördert wird trotzdem – und künftig noch mehr. Klug wäre gewesen, die 400 Millionen direkt in den Abschied von fossilen Brennstoffen zu stecken: mehr Förderung für E-Autos, für den Ausbau von Solaranlagen, für mehr Sammeltaxiangebote und mehr öffentlichen Verkehr. Auch das entlastet Haushalte. Es ist nicht einsichtig, warum der Staat nicht stärker probiert, Menschen vom Auto wegzubekommen.

Der Druck der Opposition und der Sozialpartner, etwas zu tun, war stark, die Regierung stand unter Zugzwang. Doch so wurde eine Chance vertan, den strukturellen Umbau voranzutreiben. Stattdessen wird eine klimaschädliche Subvention ausgebaut. Das ist nicht die Handschrift der Grünen in ihrer Welt. (András Szigetvari, 21.3.2022)