Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj tourt seit Beginn der russischen Invasion durch die Parlamente und bittet um Hilfe, die über Waffenlieferungen, Sanktionen und Solidaritätsbekundungen hinausgeht. Die Ansprachen haben eines gemeinsam: Sie versuchen mit moralischem Druck mehr zu erreichen – Flugverbotszonen von den Nato-Ländern oder das Raketenabwehrsystem Iron Dome und Sanktionsbeteiligung von Israel. Bei seiner Rede vor der Knesset am Sonntag setzte Selenskyj die russische Invasion aber auch mit dem Holocaust gleich, was in Israel für Empörung sorgte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bittet in seiner Videoansprache an den deutschen Bundestag um Hilfe.
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Ob man diesen Vergleich ziehen kann, darüber soll und darf diskutiert werden. Vielleicht hat Selenskyj dieses Mal über das Ziel hinausgeschossen. Trotzdem möge man nicht vergessen, dass sich die Auftritte des ukrainischen Präsidenten weniger an einzelne Parlamente als vielmehr an die weltweite öffentliche Meinung richten. Das Schlimmste für die Ukraine wäre, wenn das Interesse an der Lage des Landes mit der Zeit schwinden würde, wie in Syrien geschehen.

Selenskyj ist bewusst, dass jede Regierung ihre Gründe für ihren politischen Kurs in der Krise hat. Für Israel ist die Vermittlerrolle zwischen Moskau und Kiew ein Drahtseilakt, denn die eigene Sicherheit hängt auch von Russland ab, mit dessen Zustimmung man Waffenlieferungen aus dem Iran an die Hisbollah angreift. Für die Ukraine geht es aber ebenfalls ums Überleben. Da sind auch unpassende Vergleiche verständlich. (Manuela Honsig-Erlenburg, 22.3.2022)