Das James-Webb-Weltraumteleskop, das der Astronomie neue Beobachtungsmöglichkeiten liefern wird, ist auch in seiner Klimabilanz recht teuer.

ESA

Alles, was wir über den Klimawandel wissen, verdanken wir der Forschung. Doch die ist nicht nur unbeteiligte Beobachterin, sondern trägt natürlich auch selbst ihr (kleines) Scherflein zu den Treibhausgasemissionen bei, nicht zuletzt durch die Reisetätigkeit. So kam die ETH Zürich bereits vor ein paar Jahren zum Schluss, dass mehr als die Hälfte ihrer Treibhausgasemissionen durch Dienstreisen verursacht wird, 93 Prozent davon durch Flugreisen. Entsprechend werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebeten, unnötige Ortswechsel zu vermeiden.

Wie aber sieht die Treibhausgasbilanz ganzer Disziplinen aus? Ein Team um Jürgen Knödlseder (Zentrum für Weltraum- und Strahlungsforschung in Toulouse) ging dieser Frage nach und hat eine solche Bilanz für die Astronomie erstellt. In ihrer Studie, die am Montag im Fachblatt "Nature Astronomy" erschien, warteten die Forscherinnen und Forscher mit einigen durchaus überraschenden Ergebnissen auf.

Gut 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente

So haben die aktiven astronomischen Forschungseinrichtungen zusammengenommen einen jährlichen CO2-Fußabdruck, der etwa 20,3 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Die faktischen Treibhausgasemissionen der Astronomie werden in der Studie auf mindestens 1,2 Millionen Tonnen CO2 geschätzt. Das ist zusammengenommen in etwa so viel wie der Treibhausgasbeitrag des Verkehrs in Österreich. Der machte im Jahr 2020 immerhin 20,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente von den 73,6 Millionen Tonnen Gesamtemissionen unseres Landes aus.

Bei einer Aufschlüsselung der Astronomie-Emissionen entfallen nur etwas unter 20 Prozent auf berufsbedingte Flugreisen. Weltraumgestützte Missionen hingegen sind laut den Schätzungen für mindestens ein Drittel der Gesamtemissionen verantwortlich. Für das James-Webb-Weltraumteleskop und das seit 2021 in Bau befindliche Square Kilometre Array wurden Äquivalente von jeweils mindestens 300.000 Tonnen CO2 ermittelt.

Nicht ganz klimaneutral: Die Ariane-5-Trägerrakete, die am am 25. Dezember mit dem dem James-Webb-Weltraumteleskop an Bord startete.
BILL INGALLS via www.imago-images.de

Wenn man nun die gesamten jährlichen Emissionen durch die Gesamtzahl der aktiven Astronominnen und Astronomen teilt, betragen die berufsbedingten Emissionen pro Kopf im Schnitt etwa 36 Tonnen pro Jahr. Das entspricht in etwa den Emissionen von 165.000 Kilometern Autofahrt. Das ist freilich nur die Summe für die Nutzung der Teleskope. Nicht eingerechnet sind da Reisen zu Konferenzen, Supercomputer und Büroheizung. Für sein eigenes Labor belaufe sich die Gesamtsumme jährlich auf etwa 50 Tonnen CO2-Äquivalente pro Forscher, sagt Knödlseder.

Hohe Schätz-Unsicherheit

Das Autorenteam weist freilich auch darauf hin, dass die Unsicherheitsrate bei der Schätzung noch ziemlich hoch ist und die Genauigkeit nur rund 80 Prozent beträgt. Sie würde dennoch einen guten Ausgangspunkt für detailliertere Analysen darstellen, meint Andrew Wilson in einem Begleitkommentar.

Wie aber kann die Astronomie ihren nicht ganz kleinen CO2-Fußabdruck reduzieren? Das Autorenteam plädiert für eine Entschleunigung auf allen Ebenen: für ein langsameres Tempo beim Aufbau der astronomischen Infrastruktur, aber auch für eine "Verlangsamung" der Wissenschaft. Um nachhaltiger zu werden, könnte stärker auf Datenarchiven zurückgegriffen werden. Und auch eine Reduzierung des Publikationsdrucks würde letztlich die CO2-Emissionen reduzieren. (tasch, 21.3.2022)