Eine WM-Teilnahme fehlt Gareth Bale noch. Gegen Österreich will er ihr einen Schritt näherkommen.

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So ein Doppelleben ist anstrengend. Während der dauerverletzte Gareth B. bei Real Madrid zuletzt mehr und mehr in Ungnade fiel, wird G. Bale in seinem Heimatland Wales vergöttert. So hielt sich die Überraschung in Grenzen, als sein Verein im Clásico gegen den FC Bareclona kurzfristig auf Bale verzichten musste – Rückenprobleme. Und wenig überraschend hofft Nationaltrainer Rob Page, dass sein Star genauso wie Aaron Ramsey für das WM-Playoff gegen Österreich am Donnerstag (20.45 Uhr, ORF 1) bereit ist. "Große Spieler liefern in großen Spielen ab."

Wenn sie denn spielen. Gerade einmal fünf Spiele absolvierte Bale in dieser Saison für seinen Arbeitgeber, der ihm dafür kolportierte 700.000 Euro pro Woche zahlt. Wer die Krankengeschichte des 32-Jährigen auswendig lernt, hat gute Chancen, die SIP an der Medizinischen Universität Wien zu bestehen. Nun mögen Verletzungen der Kategorie Pech angehören, nur schwelt seit geraumer Zeit der Verdacht mit, dass sich der rechte Flügel für sein Nationalteam mehr aufopfert.

Legendär sein T-Shirt, das er nach der erfolgreichen Qualifikation für die EM 2020 trug. "Wales. Golf. Madrid. In dieser Reihenfolge", lauteten demnach seine Prioritäten. Die Sportzeitung Marca schrieb daraufhin von der "zigsten Unverschämtheit gegenüber Real".

Ära BBC

Dabei begann Bales Ära bei den Königlichen fulminant: Real überwies laut Football-Leaks-Recherchen 2013 mehr als 100 Millionen Euro an Tottenham und machte den Neuzugang zum teuersten Fußballer der Welt, noch vor seinem Teamkollegen Cristiano Ronaldo. Die beiden bildeten mit Karim Benzema fortan die gefürchtete Sturmreihe "BBC". Unvergessen: das Copa-Finale 2014 gegen Barça. Als alle im Valencia mit einer Verlängerung rechneten und die Akteure normalerweise erste Krämpfe bekommen, sprintete Bale übers halbe Spielfeld und schoss seinen Klub zum Titel. Vier Champions-League-Triumphe folgten – mit einem weiteren großen Moment: das entscheidende Fallrückziehertor im Finale gegen den FC Liverpool 2018.

Da waren aber bereits erste Unstimmigkeiten mit den Madrilenen zu spüren, denn der Waliser wurde nur als Joker eingesetzt – zu wenig für die Ansprüche eines Weltstars. Coach Zinédine Zidane legte ihm später unverblümt einen Wechsel nahe. Der Beginn einer komplizierten Beziehung. Teilweise schien unklar, wer sich von wem lieber trennen wollte – Bale von Real oder Real von Bale.

Unstrittig ist dagegen seine Heimatliebe. Der in Cardiff Geborene bewies bereits früh sein sportliches Talent, auch ein Wachstumsschub konnte ihn nicht stoppen. Mit 14 Jahren soll er die 100 Meter in 11,4 Sekunden gelaufen sein. Er absolvierte die Southampton-Akademie und wechselte 2007 zu Tottenham. Dort wurde er vom Linksverteidiger in die Offensive befördert. Sein internationaler Stern ging gegen Inter Mailand auf, als er einen Hattrick erzielte und auch das Rückspiel dominierte. Seine Explosivität und Wucht, mit denen er über das Spielfeld pflügte, und wie der Ball dabei an seinem Schuh klebte, erregte weltweites Aufsehen.

Im Nationalteam feierte die Freistoßkoryphäe mit 16 das Debüt, in einem Testspiel gegen Trinidad und Tobago in Graz. Heute hält er bei 100 Länderspielen und ist Nationalheld im rund drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden britischen Landesteil, der nur etwas größer als Niederösterreich ist.

Die Legende führte die Drachen zurück ins internationale Rampenlicht und mit sieben Quali-Toren zur EM 2016, dem ersten Großereignis seit der WM 1958. Dort gelang sensationell das Semifinale. Page hofft auf weiteren Zauber. Erst im September schenkte Bale Belarus drei Stück ein. Das unfassbare Talent des Rechtsaußen, der gerne nach innen zieht, ist auch in schweren, inkonstanteren Zeiten unverkennbar.

Waliser Traum

Unterstützung soll er von Ramsey erhalten. Der zweite Schlüsselspieler beklagt auch fehlende Spielpraxis, bei Juventus in der ersten Saisonhälfte, bei den Glasgow Rangers seit Jänner. Das Ziel ist aber klar: "Mit einer WM-Teilnahme würden wir auch noch den letzten Punkt auf der Liste abhaken. Davon träumen wir alle", sagt Bale.

Nachdem er letzte Saison an Tottenham verliehen war, kehrte er zu Real zurück. Nur, sosehr sich seine Fans alte Glanzmomente herbeisehnten, so schnell wurde klar, dass alter Lammeintopf eben aufgewärmt nicht mundet. Zwar kommt der 1,85-Meter-Mann mit Trainer Carlo Ancelotti besser aus als mit Zidane, aber die Liebe zum Klub scheint erloschen, sein im Sommer endender Vertrag wird nicht verlängert. Vielleicht hat der Schüchterne auch einfach nie so wirklich zu den Galaktischen gepasst. "Als Profifußballer verspürt man viel Druck, entspannen kann ich mich mit simplen Dingen", sagte er einst.

Wohin die Reise im Sommer geht, ist unklar, vielleicht wird Bale auf dem Golfplatz darüber nachdenken. Er verfolgt leidenschaftlich die PGA-Tour. Sein Spitzname im Team: "The Golfer". Und Bale scherzt mit. Als die Zeitung As ihm einst drei Verfehlungen mit dem Titel "Triple Bogey" ankreidete, sagte der Waliser nur: "Drei Schläge über Par hatte ich noch nie." (Andreas Gstaltmeyr, 21.3.2022)