Ukraine-Vertriebene im Beratungszentrum in Wien: Auf die, die bleiben, kommt einiges an Bürokratie zu.

Foto: Heribert Corn

Wien / St. Pölten – Im Vergleich zum Massenexodus aus der Ukraine, wo bereits ein Viertel der 44 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner auf der Flucht vor den russischen Angriffen ist, sind die Ankunftszahlen in Österreich eher gering. Am Montag war von 17.000 registrierten Ukraine-Flüchtlingen die Rede.

Die österreichischen Behörden jedoch stellt dieser Zustrom vor Herausforderungen. Denn jene Vertriebene, die im Land bleiben wollen, müssen polizeilich registriert werden. Dabei erhalten sie eine Identitätskarte, die sie als Vertriebene im Sinne der EU-Massenzustromrichtlinie ausweist.

Die Karte ermöglicht ihnen unter anderem Zugang zum Arbeitsmarkt. Gleichzeitig werden sie in die Grundversorgung aufgenommen – und sie werden beraten, um in Österreich in der Folge so schnell wie möglich wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen.

Wien im Zentrum

Am meisten Arbeit macht dieses Prozedere derzeit in Wien, denn hier befindet sich die mit Abstand größte Gruppe Vertriebener aus der Ukraine. Wie viele es insgesamt genau sind, weiß man im Rathaus nicht, denn die Einreise nach Österreich ist für Ukrainerinnen und Ukrainer visumsfrei – und bleibt es für 90 Tage. Sie können bei den Behörden vorsprechen, aber sie müssen es vorerst nicht.

Einen Hinweis auf die tatsächlichen Zahlen gibt die Wiener Meldestatistik. Seit Kriegsbeginn haben 8000 ukrainische Staatsangehörige Wien als ihren Wohnort deklariert.

6.400 Fälle aufzuarbeiten

Dass die Bundeshauptstadt Hauptanziehungsort in Österreich für die Vertriebenen ist, war schon bald nach dem Beginn der russischen Invasion klar. 6.400 Flüchtlinge dockten binnen mehrerer Tage in dem von der Stadt eilig hochgezogenen Beratungszentrum im Austria Center an, noch bevor die Verordnung des Innenministeriums in Kraft trat, mit der die EU-Massenzustromrichtlinie in heimisches Recht umgesetzt wurde.

Das heißt: Diese Menschen müssen nachregistriert werden. Doch damit ist man in der Bundeshauptstadt mehr als eine Woche nach Inkrafttreten der Verordnung noch nicht durch. "Bitte warten Sie, bis Sie kontaktiert werden" ist nach wie vor auf Ukrainisch sowie auf Deutsch auf dem unter www.start.wien.gv.at zu findenden Informationssheet für Menschen aus der Ukraine zu lesen.

Termine, so steht dort, würden ausschließlich vom Fonds Soziales Wien vergeben, der die diesbezüglichen Einladungen koordiniert.

Seit Montag auch Registrierung in Messe Wien

Warten müssen dadurch auch jene wohl zahlreichen Ukraine-Vertriebenen, die später, als die Verordnung schon galt, in Wien ankamen. "Wir bitten um Geduld! Sobald die Polizei jene Personen erfasst hat, die bereits im Austria Center waren, wird das Beratungszentrum wieder geöffnet", wird ihnen in dem Informationssheet ans Herz gelegt.

Unversorgt bleibe aufgrund dieser Verzögerung niemand, es gebe auch neben dem humanitären Ankunftszentrum in der Leopoldstädter Sport-und-Fun-Halle genug Notquartiere in Wien, sagt dazu Herbert Langthaler von der österreichischen Asylkoordination. Mangels verständlicher Information jedoch fürchteten manche Geflüchtete, Fristen zu versäumen, und kämen mit Landsleuten, die bereits einen Termin bekommen haben, ins Austria Center mit. Das schaffe Unruhe.

Am Montag startete die Registrierung in der Messe Wien – aber derzeit nur für Flüchtlinge mit Terminen.

Niederösterreich baut aus

Probleme mit der Flüchtlingsregistrierung bei Polizei und Grundversorgung waren zuletzt aus Niederösterreich gemeldet worden. Landesweit gab es nur zwei Stellen, um Aufenthaltskarten auszustellen – in Schwechat und in St. Pölten. Die Grundversorgung wiederum sollte sowohl bei den Bezirkshauptmannschaften als auch in jenen Gemeinden erfolgen, die Ukraine-Vertriebene aufnehmen.

Hier erfolgte am Montag eine Klarstellung. In der Fluchtbewegung aus der Ukraine obliegt die Grundversorgungsabwicklung den Gemeinden. Auch wurde eine dritte Registrierungsstelle in Wiener Neustadt eröffnet.

Erklärung zur Causa Waldhäusl

Negativschlagzeilen hatte vergangene Woche der niederösterreichische Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) gemacht. Angesichts des Ukraine-Exodus forderte er eine "Triage im Asylbereich". Quartiere werde es in Niederösterreich nur für "Frauen und Kinder aus der Ukraine", nicht für "Ankömmlinge aus Syrien oder Afghanistan" geben, sagte er.

Damit habe sich Waldhäusl zu wiederholtem Mal als ungeeignet für seine Funktion erwiesen, sagt dazu die grüne niederösterreichische Klubobfrau Helga Krismer. Die Sozialdemokraten sollten bei der Regierungssitzung in St Pölten am Dienstag einen Antrag auf Neuaufteilung der Geschäftsordnung stellen, forderte sie: "Die SPÖ soll die Asylagenden in Niederösterreich übernehmen."

Im Büro der niederösterreichischen SPÖ-Chefs Franz Schnabl reagiert man vorsichtig. Es werde eine "Erklärung" von der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur Causa Waldhäusl geben, hieß es am Montag. Aus der ÖVP kam bis Redaktionsschluss keine Reaktion. (Irene Brickner, 22.3.2022)