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Nadja Tolokonnikowa verbrachte 14 Monate im Arbeitslager. Heute lebt sie in den USA.

Foto: Reuters / Jeenah Moon

Zehn Jahre ist es her, dass von Moskau aus Bilder von drei jungen Frauen hinter Gittern um die Welt gingen, die sich mal lächelnd, mal mit erhobener Faust mit dem Unrechtssystem Wladimir Putins anlegten. Vor einem Moskauer Bezirksgericht wurde im April 2012 die Strafsache Pussy Riot verhandelt.

Wenige Wochen zuvor hatte die feministische Punkband rund um Mastermind Nadja Tolokonnikowa die Moskauer Erlöserkirche gestürmt und Russlands Präsidenten, der damals im Westen noch meist wohlgelitten war, in ihrem "Punk-Gebet" verflucht: "Jungfrau Maria, vertreibe Putin!"

Erhört wurde Pussy Riots wenig frommer Wunsch bis heute nicht. 14 Monate im Arbeitslager, wo Tolokonnikowa ähnlich wie ihre beiden Mitstreiterinnen bis zu 18 Stunden am Tag Polizeiuniformen nähen musste, Hungerstreiks und Übergriffe inner- und außerhalb der Gefängnismauern haben den Widerstandsgeist der heute 32-Jährigen aber nicht zu brechen vermocht. "Wenn ich meine Seele verkaufen muss, damit Putin verschwindet, dann tue ich es", schrieb sie in ihrem 2016 erschienenen Buch "Anleitung für eine Revolution".

"Ausländische Agentin"

Bis heute kämpft Tolokonnikowa, die in der Industriebrache von Norilsk am Polarkreis aufwuchs, psychisch mit den Folgen der Trennung von ihrer damals vierjährigen Tochter. Seit Ende vergangenen Jahres ist ihr Leben noch gefährlicher geworden. In Russland als "ausländische Agentin" gebrandmarkt, floh sie vor Putins Häschern ins Exil. Von den USA aus tut die telegene Künstlerin nun alles, um Putin, dem "Möchtegernhelden, der halbnackt auf Pferden reitet", doch noch zu vertreiben.

Umso mehr, seit dieser vor einem Monat die Ukraine überfiel: Ein von Tolokonnikowa auf den Markt gebrachtes NFT-Digitalbild der ukrainischen Flagge brachte binnen weniger Tage mehr als 6,5 Millionen US-Dollar ein, die der ukrainischen Armee zugutekommen. Wenn auch mit Bauchweh, wie die einstige Pussy-Riot-Aktivistin zugibt, schließlich sei die Kryptowirtschaft nach wie vor fest in Männerhand. Um das zu ändern, widmet sie sich neben ihrer politischen Agenda auch einer digitalen Stiftung, die weiblichen und LGBTQI-Kunstschaffenden hilft.

Was es braucht, um Putin tatsächlich zu vertreiben, sei ein Aufstand, beschrieb sie kürzlich im "Guardian". "Aber Putin ist verrückt, er würde wohl auf seine eigenen Leute schießen lassen." Sie weiß: Gebete allein, und seien sie auch noch so punkig, werden nicht reichen. (Florian Niederndorfer, 22.3.2022)