Die Speichergebäude von Kom Ombo wurden von oben befüllt und dürften der Lagerung von Getreide gedient haben.
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Wo heute die ägyptische Industriestadt Kom Ombo steht, bestand bereits vor mindestens 4.000 Jahren ein altägyptisches Verwaltungszentrum. Zunächst unter dem Namen Nubet oder Nubyt, später in ptolemäischer Zeit als Omboi, spielte der Hauptort des fünften oberägyptischen Gaues Netjerui phasenweise eine bedeutende Rolle.

Davon zeugt nicht zuletzt der berühmte Doppeltempel von Kom Ombo, der in der ptolemäischen Epoche am Ufer des Nils südlich des eigentlichen Ortes errichtet wurde. Der Tempel ist vor allem deshalb außergewöhnlich, weil dort im Unterschied zu den meisten anderen altägyptischen Sakralbauten zwei Götter getrennt voneinander verehrt wurden: der Krokodilgott Sobek und der falkenköpfige Haroeris, eine Erscheinungsform von Horus.

Am Ende des Alten Reichs

Nun haben österreichische Archäologen gemeinsam mit ihren ägyptischen Kollegen bedeutende Funde aus der Frühzeit von Kom Ombo vorgestellt: Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter entdeckten unter dem Wüstensand eine große, über 4.000 Jahre alte Speicheranlage. Mehrere Dutzend Silos aus Lehmziegeln konnten inzwischen freigelegt werden. Als besonders spannend erwies sich der Inhalt eines der Speicherräume: Stapelweise ungewaschenes Geschirr lag dort, als wäre es nicht mehr verwendet worden. Der Fund lässt darauf schließen, dass die Anlage seinerzeit sehr plötzlich verlassen werden musste.

Das Portal zum Doppeltempel von Kom Ombo.
Foto: Olaf Tausch

Die Außenstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersucht seit 2017 in Kooperation mit dem ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer die rund 45 Kilometer nördlich von Assuan am Nil liegende Stadt und ihr Hinterland. Das nun entdeckte Gebäude stammt aus der sogenannten ersten Zwischenzeit (etwa 2180–2050 vor unserer Zeitrechnung), die begann, als das Alte Reich – das Zeitalter der großen Pyramiden – zerfiel.

Hinweise auf Getreideraub

Die genaue Dimension der Anlage lässt sich noch nicht abschätzen. Die Archäologen konnten bisher 32 Speicher aus Lehmziegeln vom Sand befreien. Die Bauwerke besaßen unterschiedliche Durchmesser von ein bis zwei Meter und dürften vor allem für die Lagerung von Getreide genutzt worden sein. "Solche Getreidespeicher entsprachen im alten Ägypten unserem modernen Geld. Angesichts der großen Zahl an Speichern war das sicher kein privates Gebäude, sondern offensichtlich ein Verwaltungszentrum", erklärte die Leiterin der ÖAI-Außenstelle Kairo, Irene Forstner-Müller.

Video: Irene Forstner-Müller berichtet über Kom Ombo während der ersten Zwischenzeit vor über 4.000 Jahren.
Institut français d'archéologie orientale

"Die Struktur der Gebäude ist sensationell gut erhalten, die Wände sind fast zwei Meter hoch", betonte die Archäologin. Die siloartigen Speicher standen in einzelnen Räumen und waren von oben zugänglich. Die Anlage war von einer Außenmauer umschlossen und überdacht. "Wir haben in zwei Räumen auch Raubgruben durch die Mauern entdeckt, durch die offensichtlich Getreide gestohlen wurde und die dann wieder schnell mit Lehm verschlossen wurden", so Forstner-Müller.

Verglichen mit anderen Speicheranlagen ist die Größe der Speicher in Kom Ombo überraschend unregelmäßig. Warum das so ist, muss noch geklärt werden.
Foto: APA/ÖAW/NIKI GAIL

Die Größe der Speicher ist zur Überraschung der Ägyptologen unterschiedlich, während Speicher in derartigen Speicheranlagen an anderen Fundorten normiert waren. Warum das so ist, muss erst geklärt werden. Noch wurden keine Überreste von Getreide in den Speichern gefunden, "wir hoffen aber noch, auf etwas zu stoßen", sagte Forstner-Müller.

Stapelweise ungewaschenes Geschirr

In einem der Speicherräume haben die Archäologen dafür einen anderen überraschenden Fund gemacht: "Dort stehen Stapel an ungewaschenem Geschirr. Da kleben noch Knochen und andere Speisereste darauf", so die Archäologin, die der Fund ratlos zurücklässt. "Das ist ganz komisch: Warum stapelt man dort hunderte schmutzige Teller und Schalen, und was passiert dann, dass man das so fluchtartig zurücklässt?"

Für die Forschenden sind die rätselhaften Umstände allerdings ein Glücksfall, denn die Speisereste auf dem ungewaschenen Geschirr öffnen ein Fenster in den Alltag der damaligen Menschen. In den kommenden Monaten könnten die Analysen dieser Funde einiges über den Menüplan der Bewohner von Kom Ombo verraten. Zeit dafür dürften die Forschenden haben: Die in Ägypten übliche hitzebedingte Grabungssommerpause hat soeben begonnen, die Ausgrabungen an der Speicheranlage werden im kommenden Herbst fortgesetzt. (tberg, red, APA, 22.3.2022)